Aleks wurde sehr schmerzhaft bewußt, daß er wohl mal wieder ein ganz großer Fettnäpfchen für sich gefunden hatte, denn nachdem der Boss schon meinte alle Gargoyles (oder zumindest alle hier) würden wie Hunde aussehen, bestätigte Detective Scott das nicht nur, nein der hielt es auch noch für eine gute Idee, Aleks auf den Turm zu schicken um sich die Sache selbst mal genauer anzusehen. Und nicht nur daß, nein, er sollte auch noch eine Blutprobe mitbringen. WAS BITTE?! Betrachten konnte er die Gargoyles noch aus der relativen Sicherheit des Turmes selbst, aber um eine Blutprobe zu nehmen, müßte er da oben herum klettern. Das war nichts was er unbedingt ausprobieren wollte und doch auch ganz sicher nicht allein!
Bevor er allerdings über einen Protest nachdenken konnte, lehnte der Boss den Vorschlag bereits ab und entschied die Spurensicherung hatte sich darum zu kümmern. Na wenigstens war der Kelch an ihm vorüber gezogen! Dafür allerdings verlangte der Boss von ihm eine Einschätzung. „Die Androhung einer Vorladung hat den Jungen schon ziemlich schockiert. Er versuchte zwar auf hart zu machen, aber knickte ziemlich schnell ein. Ich würde sagen, er glaubt auf jeden Fall an seine eigenen Worte. Natürlich bleibt immer noch die Möglichkeit, daß er sich das Ganze auf Grund der Drogen nur eingebildet hat, aber ich glaube das nicht.“ Aleks gab sich Mühe seine Einschätzung so differenziert wie möglich zu geben.
Trotz allem entschied der Boss sich den Jungen persönlich vorzunehmen. Vielleicht irrte sich Mike ja und einer seiner Freunde hatte doch mehr gesehen und es einfach nur für sich behalten oder eben auch nur für einen Trip gehalten.
„Der Name des Jungen ist Mike Walsh“, erklärte er und fügte noch die genaue Adresse und das Stockwerk hinzu.
Gleich darauf bekam Aleks die Anweisung sich über Gargoyle zu informieren. Ihm war klar, daß er der Boss das definitiv nicht in einem Kunsthistorischen Zusammenhang meinte. Er war sich allerdings nicht so sicher ob er in den Büchern seine Großmutter viel zu diesen Wesen finden würde. Trotzdem mußte er es versuchen.
„Ja, Boss.“ Aleks nickte.
Gleich darauf erklärte eben dieser, daß Dr. Morgan nach Hause fahren sollte. Die blickte etwas unglücklich drein und erklärte, daß jemand sie aber erst zum Revier fahren mußte. Aleks hätte ihr ja gern geholfen, aber er selbst war mit Detective Scott hergekommen. Ihm machte es allerdings nichts aus mit der Bahn zurückzufahren. Dann würde er allerdings erst zu Hause vorbeifahren und dann erst ins Revier zurückkehren.
Aleksey fühlte sich nur noch mehr bestätigt, als der Boss meinte die Größe der Pranken würde zu den Abdrücken im Schnee passen. Das Bild verdichtete sich doch stark!
„Nun ja“, meinte der junge Officer dann etwas überlegend, „manche sehen Hunden ähnlicher als andere...“
Es gab so viele verschiedene Versionen von Gargoylen. Aleks mußte sich aber eingestehen, daß er nicht mehr sicher war, ob alle Figuren auf diesem Dach dasselbe Aussehen hatten, oder ob es unterschiedliche waren und von hier konnte er es auch leider nicht so genau erkennen. Deshalb war es jetzt wohl doch besser erstmal den Mund zu halten, bevor er etwas Dummes von sich gab.
Dann allerdings fragte der Boss nach einem Grund weshalb es ausgerechnet den Küster erwischt haben könnte, worüber sie ja auch gerade erst nachgedacht hatten.
„Leider nein. Die Meisten scheinen ihn nur vom Sehen zu kennen und wer ihn näher kannte, hatte auch nichts Schlechtes oder wenigstens Auffälliges über ihn zu berichten was sich lohnen könnte weiter zu verfolgen.“
Die Neuigkeit, daß eine Detektivin ebenfalls an ihrem Fall interessiert war, nahm Aleksey nur erst einmal auf, wußte aber nicht recht etwas damit anzufangen. Sie würde ihnen wahrscheinlich irgendwann im Weg sein oder irgendwelche wichtigen Spuren oder Beweise unbrauchbar machen. Zumindest war es das, was er hörte was Privatschnüffler immer wieder taten, wenn sie mit den Ermittlungen der echten Polizei kollidierten. Das war dann aber wohl eher ein Problem für den Boss und nicht so ein kleines Licht wie ihn.
Als der Boss seine Wiedergabe der Aussage des Jungen ohne weiteres Hinnahm, war Aleks schon etwas verwundert. Eine Bestätigung, daß es sich tatsächlich um ein lebendig gewordenes Steinmonster hielt sollte man doch vielleicht etwas erstaunter aufnehmen oder eben anzweifeln, oder?
„Ähm...äh...nein. Nach seiner Aussage haben sie auf dem Friedhof nichts gesehen und haben ihn auch vor dem vermutlichen Todeszeitpunkt schon verlassen. Wahrscheinlich waren sie bis zu dem Zeitpunkt bereits so zugedröhnt, daß sie eh nichts mehr bemerkt hätten“, vermutete Aleksey.
Als Dr. Morgan entschied er hatte noch wenig Erfahrung vor Gericht, konnte er tatsächlich nur nicken. Die Fälle, für die er wirklich vor Gericht aussagen mußte, konnte man an einer Hand abzählen.
Gleich darauf stimmte sie allerdings zu, daß die Beschreibung, die der Junge im gegeben hatte, auf einen der Kirchen Gargoyle schließen ließ. Wie jedoch zuvor, als sie sich die ersten Gedanken darum gemacht hatten, kam wieder die Frage auf, warum ein Wesen, das dazu geschaffen war die Kirche zu schützen ausgerechnet einen Kirchendiener grausam tötete. Und dann die andere Frage, weshalb das alles erst jetzt geschah.
„Vielleicht...hm...vielleicht brauchen die Gargoyle ja auch jemanden, der sie erweckt. Vielleicht eine Art Ritus, oder Zauberspruch? Vielleicht wurde er erweckt um etwas anderes zu tun und der Küster war nur zur falschen Zeit am falschen Ort?“, überlegte Aleksey, als sie wieder auf die Kirche zuliefen.
Obwohl Aleksey Mikes Aussage glaubte, daß seine Freunde seine Vision nicht unterstützen würden und eher noch gar nichts gesehen hatten, hatte die Psychologin wohl recht, daß der Boss entscheiden mußte, ob er sie trotzdem vorlud oder nicht.
Die beiden anderen Mitglieder ihres Teams trafen sie dann auch an ihrem Wagen an. Dr. Morgan war die Erste, die fragte, was die anderen gefunden hatten. Als er hörte, was sie entdeckt hatten, konnte Aleksey seinen Enthusiasmus nicht ganz zurückhalten.
„Ich wäre mir da nicht so sicher! Vielleicht war die Taube auch nur der Nachtisch. Wir haben einen der Jugendlichen befragt, der die letzte Nacht hier auf dem Friedhof war. Auch wenn er zugab hier mit seinen Freunden eigentlich zum Kiffen gewesen zu sein, wollte er ein Wesen gesehen haben, daß über den Friedhof flog. Er gab eine vergleichsweise detaillierte Beschreibung. Der Gargoyle, an dem ihr das Blut gefunden habt, der hatte nicht zufällig Ähnlichkeiten mit einem Hund?“, fragte er Detective Scott mit fast schon leuchtenden Augen.
Das war wirklich sehr aufregend. Vielleicht hatten sie jetzt wirklich eine echte Spur.
Ein wenig überrascht war Aleks schon, daß sein Bluff tatsächlich aufging. Es war einer der ältesten Tricks im Buch, und trotzdem funktionierte er immer noch. Dr. Morgan hatte dem Jungen echt einen tierischen Schreck eingejagt und der gab sich jetzt wirklich Mühe das, was er glaubte gesehen zu haben so gut es ging zu beschreiben.
Mike beschrieb ein fliegendes Wesen, das Aleks am ehesten an einen der Gargoyle der Kirche erinnerte. Ein fliegender Hund mit Fell und...fransigem Schwänzchen...? Ob er der Beschreibung im Detail glauben konnte war dann wohl doch fraglich. Es war Nacht gewesen und der Junge hatte selbst zugegeben bekifft gewesen zu sein. Im Grundsatz neigte der junge Polizist dazu Mike zu glauben, aber vielleicht doch nicht jeder Kleinigkeit. Trotzdem machte er sich schnell Notizen zu der Beschreibung des anderen.
Auch wenn Mike gewollt hatte, daß man seiner Erzählung Glauben schenkt, schien er selbst leichte Zweifel daran gehabt zu haben, denn er realisierte nun nachdenklich, daß es dieses Wesen wohl tatsächlich gab. Auf seine Frage, ob es dieses Wesen, welches den Küster getötet hatte, sah Aleksey ihn an. Mike wehrte sofort ab und meinte er würde jede Antwort für sich behalten, aber es gab nicht wirklich viel zu antworten im Moment.
„Ganz ehrlich? Im Moment kann man das noch nicht sagen. Es gibt Hinweise darauf, daß dieses Wesen es getan haben könnte, aber wir haben noch viel zu wenig Beweise. Trotzdem rate ich Dir und Deinen Freunden für die nächste Zeit einen anderen ruhigen Ort zu suchen als ausgerechnet diesen Friedhof. Ihr solltet nachts lieber irgendwo drinnen bleiben bis das hier geklärt ist.“
Aleks konnte sehen, daß das nicht die Antwort war, die sich der junge erhofft hatte, aber er verstand wohl auch die Warnung. Ob er sie befolgen würde, stand wohl auf einem anderen Blatt.
„Meine Partnerin wartet wohl schon auf mich. Ich muß jetzt gehen. Sollte Dir noch etwas einfallen, oder solltest Du doch noch irgendetwas beobachten, hast Du unsere Kontaktdaten.“ Er deutete auf die Visitenkarte, die Dr. Morgan dagelassen hatte, bevor auch er die Wohnung verließ.
Im Treppenhaus fand er die Psychologin nicht, also machte sich Aleksey auf den Weg nach unten. Als er die Frau draußen in der eisigen Winterkälte stehen sah, reichte ein Blick um zu wissen, daß sie nicht gut auf ihn zu sprechen war.
„Ähm ich...ich hab' doch noch ein paar Informationen aus Mike rausgekriegt“, sagte er dann ein wenig kleinlaut.
Trotz seines extrem ungewöhnlichen Angebots und dem Versprechen, die Namen und Adressen der Freunde des Jungen nicht unbedingt zu benötigen, stellte sich Mike quer. Obwohl er es nicht wissen konnte ohne zu fragen, wiegelte er gleich ab und meinte seine Freunde würden eh nicht helfen wollen. Das war wohl eher der Versuch Zeit zu gewinnen und vielleicht noch etwas mehr als Fotos rauszuschlagen. Offensichtlich war Alekseys risikoreicher Versuch nicht aufgegangen.
Er bekam keine Chance etwas auf die Worte des Jungen zu erwidern. Es war Dr. Morgan, die ihm jetzt gehörig die Leviten las. Aleks Augen weiteten sich ein wenig, als die Frau eine Tirade von sich gab, die sich gewaschen hatte. Sie erinnerte ihn an eine strenge Lehrerin. Der junge Mann, der eben noch so cool und tough tat, wurde plötzlich sehr unsicher. Sie aber blieb eiskalt, legte noch eine Visitenkarte mit den Kontaktdaten zum Revier auf den Tisch und verließ bereits den Raum und nach einem kurzem Gespräch mit der Mutter auch schon die Wohnung. Aleks konnte kaum so schnell reagieren, wie die Psychologin auch schon fort war. Gerade wollte er ihr besser rasch folgen, da hielt ihn Mike auf.
Ganz plötzlich war der Kleine doch gesprächig. Was gerade passiert war, war wohl ein Paradebeispiel für die Tour 'guter Cop, böser Cop' auch wenn Dr. Morgan natürlich keine Polizistin war. Aber erstens hatte der Kleine davon keine Ahnung und zweitens funktionierte dieser Kniff schließlich auch unter anderen Umständen. Wie auch immer, Mike gab zu, daß sie alle Drogen genommen hatten, behauptete aber selbst noch am klarsten gewesen zu sehen und was er nun sagte, was er gesehen haben wollte, ließ Aleks aufhorchen. Mike flehte ihn an nicht aufs Revier geschleppt zu werden und wahrscheinlich war das nicht nur unnötig sondern würde auch wenig bringen.
„Okay, ich seh zu, was ich für Dich tun kann. Aber beschreib mir nochmal ganz genau was Du glaubst gesehen zu haben. Ein großes, fliegendes Wesen? Ein Hund, oder Drache? Konntest Du sehen ob es Fell hatte? Die Flügel, waren die mit Federn, oder eher wie bei Fledermäusen aus Haut? Alles woran Du Dich erinnern kannst muß ich wissen, auch wenn es Dir schwer fällt. Versuch die Augen zu schließen und Dich zu erinnern. Nur wenn Du mir hilfst, kann ich Dir helfen. Meine Kollegin ist echt sauer. Die ist knallhart, auch wenn sie auf den ersten Blick nicht so aussieht. Ich muß ihr schon was bieten um sie von Dir abzubringen, okay?“
Wenn sie jetzt schon in dem Spiel steckten, dann konnte er es auch voll ausnutzen, dachte sich Aleks.
Das es einen Mord gegeben hatte, hatte der Jugendliche also nicht gewußt und diese Information schien ihn dann doch etwas wach zu rütteln. Leider hatte er trotzdem nicht so viel zu berichten, wie sie es sich erhofft hatten. Was er allerdings erzählte klang schon etwas schräg. Eine Drohne? Waren er und seine Freunde vielleicht einfach nur zuge'drohnt' gewesen? Aber was, wenn dieses große, fliegende etwas tatsächlich dagewesen war, nur es war keine Drohne, sondern...ein Wesen?
Während Dr. Morgan nachfragte ob die Kids so etwas schon häufiger gesehen hatten, wollte der junge Walsh wissen, wie der Mord abgegangen war. Von allgemeiner Neugier mal abgesehen, war ihm doch recht klar anzusehen worauf er stand. Die gruseligen Details des Mordes dürften für ihn besonders spannend sein. Leider entschied sich Dr. Morgan seine Nachfrage eiskalt niederzubügeln. Er blickte sie kurz von der Seite an, als sie dennoch verlangte daß er ihnen Informationen über seine Freunde gab. Ganz ehrlich? Daß das so nichts werden würde war Aleks klar, noch bevor Mike antwortete. Nachdem sie so gute Arbeit geleistet hatte den Jungen zu durchschauen und dazu zu bringen sich zu öffnen, hatte sie hier zu schnell, zu hart reagiert. So ganz verstand Aleks das nicht. War sie vielleicht auch noch etwas nervös so direkt bei den Ermittlungen dabei zu sein?
Sofort hob der Junge die Arme wieder und verschränkte sie mauernd vor der Brust. In gewisser Weise sagte er genau das, was Aleks erwartete. Er wollte ein quitt pro quo.
„Kennst Du den Küster? Mr. Payne?“, mischte er sich nun wieder ein, bevor sie den Jungen endgültig als Quelle verloren. Er war im Moment ihre einzige echte Spur. „Er ist das Opfer. Und die Details zum Leichenfund alleine wären für Dich sicher sehr spannend. Leider hat meine Kollegin recht und im Moment können wir mit den Details noch nicht herausrücken. Du weißt schon, die Presse-Hyänen. Außerdem ist das, was da genau mit Mr. Payne geschehen ist für uns selbst noch so unklar, daß wir alle Hinweise verfolgen müssen um eine vernünftige Erklärung dafür zu finden. Deswegen wären uns Deine Freunde eine echte Hilfe.“ Aleks blickte kurz zur Seite auf die junge Ärztin. Er hatte eine Idee, die war zwar etwas unkonventionell, aber wenn sie die gewünschten Ergebnisse brachte, dachte er, daß es das wert war. „Okay, paß auf. Als Beweis, daß es uns wirklich nicht darum geht euch irgendwas anzuhängen, brauchen wir nichtmal die Namen Deiner Freunde. Wie wäre es, wenn Du sie einfach anrufst und wir ein Treffen arrangieren? Ihr bestimmt Ort und Zeit. Wir wollen nur mit ihnen reden und hören, was sie zu sagen haben. Als Gegenleistung...als Gegenleistung zeigen wir euch die echten Tatortfotos vom Leichenfund sobald unser Ermittlungsstand das zuläßt.“ Damit lehnte sich Aleks jetzt echt aus dem Fenster, aber wenn die Kids wirklich etwas gesehen hatten, das ihnen weiterhelfen konnte, war das nicht ein geringer Preis?
Sein Vorgehen hatte offensichtlich entweder gar keine Wirkung, oder die gegenteilige von der die sich Alex erhofft hatte. Mike mauerte sofort. Er war nicht auf dem Friedhof gewesen, irgendwer erzählte da scheiße und wieso wollten sie das überhaupt wissen. Auch wenn Alex kein gelernter Psychologe war, eine gewisse Menschenkenntnis war ihm dann doch nicht abzusprechen. Selbst ihm war klar, daß der Junge nicht die Wahrheit sagte, zumindest nicht die Ganze. Bevor er allerdings versuchen konnte einen Ansatz zu finden, war Dr. Morgan dann doch schneller und auch sehr viel findiger als er.
Sie versuchte Mike aus der Defensive zu locken, indem sie ihm versicherte, daß sie nicht darauf aus waren ihm oder seinen Freunden etwas nachzuweisen oder anzuhängen. Sie erklärte ihm, daß sie nichts weiter suchten als Zeugen für das, was geschehen war. Ihre Anspielung auf seinen Lebensstil allerdings nahm er weniger gut auf.
Aleks hob beruhigend die Hand.
„Es ist absolut nicht verboten sich auf dem Friedhof aufzuhalten, ob an Halloween oder an einer anderen Nacht. Wie schon gesagt, uns geht es nicht darum, Dir oder Deinen Freunden irgendwas anzuhängen. Aber falls ihr doch zufällig auf dem Friedhof vorbei gekommen sein solltet, dann habt ihr vielleicht doch etwas gesehen. Vielleicht kam es euch zu dem Zeitpunkt auch gar nicht wichtig vor, aber für uns könnte es von großem Wert sein. Jemand hat gleich gegenüber eurer Wohnung einen Mord begangen. Willst Du nicht vielleicht doch versuchen uns dabei zu helfen denjenigen zu finden? Du wohnst hier und Deine Mutter wohnt hier. Willst Du wirklich, daß ein Mörder hier frei herum läuft?“
Aleks sah den Jungen, der seinem Blick auszuweichen versuchte, direkt und eindringlich an. Vielleicht meinst Du ja, Du kannst Dich selbst schon beschützen, aber was ist mit Deiner Mutter? Ist die Dir wirklich egal?
Dr. Morgan war wirklich sehr nett. Sie versuchte ihn aufzumuntern und meinte, daß niemand ihn für merkwürdig halten würde, weil er noch immer in seiner Uniform herumlief. Aleks allerdings bezweifelte das. Er gab sich solche Mühe in seiner neuen Einheit aufgenommen zu werden und für ihn war dies schon wieder ein riesiger Patzer. Er konnte wetten, daß die Information bei seinen Versetzungsunterlagen dabei gewesen sein wird aber man es absichtlich zurückgehalten hatte um ihn als Idioten dastehen zu lassen. Es half halt nichts. Bis er nicht zumindest zurück an seinen Spinnt kam, konnte er an seinem Aufzug nichts ändern.
Mrs. Walsh war überrascht, schien sehr erleichtert als er angab nur ein paar Fragen an ihren Sohn zu haben und ließ sie beide ohne weiteres in die Wohnung. Aleks nahm zusammen mit Dr. Morgan platz auf der Couch. Es dauerte dann allerdings doch ein wenig länger bis der Sohn, Mike, das Zimmer betrat. Es war sofort an seiner Haltung zu erkennen, daß er wenig Lust auf eine Unterhaltung hatte. Die Arme defensiv vor der Brust verschränkt, fragte er ohne Umschweife was sie von ihm wollten.
Aleks bemühte sich darum einen ungefährlichen Eindruck zu machen und den eh schon argwöhnischen Teenager nicht noch mehr in die Defensive zu treiben.
„Wir haben nur ein paar Fragen an Dich. Wir haben gehört, daß Du manchmal abends mit ein paar anderen unten auf dem Friedhof bist. Warst Du zufällig gestern Nacht auch da, so gegen Mitternacht?“, fragte er Mike und sah den Jungen bei seiner Antwort zwar freundlich aber doch genau beobachtend an.
Noch während sie die Treppe hinauf stiegen, sprach Dr. Morgan ihn an. Was sie ihm sagte, ließ ihn im Tritt kurz stocken. Er fühlte seine Wangen leicht erröten, als er die Psychologin von der Seite betrachtete.
„Ähm...nein, M'a...“ Er stockte und schüttelte den Kopf. „Ich hatte keine Ahnung. Ich bin nur ein einfacher Officer und Straßencop. Die Uniform, ich bin sie einfach gewohnt. Aber natürlich müssen die anderen mich für...merkwürdig halten. Ich werde mich umziehen sobald sich die Gelegenheit ergibt. Danke.“
Alex biss sich auf die Unterlippe. Natürlich hatte ihm keiner was gesagt. Wahrscheinlich lachten sich die Kollegen seines alten Distrikts noch immer ins Fäustchen. Auch für seine neue Einheit wollten sie ihn gleich als Außenseiter wissen. Aber er würde es ihnen schon zeigen! In dieser Einheit war er richtig! Er würde sich hier einfinden und einbringen und ein wichtiger Teil werden.
Gerade als er dann an der Wohnungstür klopfte, bat ihn Dr. Morgan noch nicht mit der Tür ins Haus zu fallen und den Befragten immer zu erklären, daß sie keine Polizistin sondern Psychologin war. Für einen langen Moment war sich Aleks nicht klar, ob das so richtig war. Er verstand ihr Argument allerdings nur zu gut. Und sie war schließlich seine Kollegin. Das war also keine Lüge. Er schaffte es noch kurz zu nicken, bevor die Tür aufging.
Mrs. Walsh schien es leider gewöhnt zu sein, daß Polizisten vor ihrer Tür erschienen. Sie hatte einen äußerst resignierten Gesichtsausdruck als sie fragte, was ihr Sohn wohl nun wieder angestellt hatte. Aleks bemühte sich um ein freundliches Lächeln und einen möglichst offenen Eindruck.
„Nichts, soweit wir wissen, M'am. Um ehrlich zu sein, könnte uns ihr Sohn tatsächlich behilflich sein. Ist er vielleicht zu Hause? Wir hätten nur ein paar Fragen an ihn.“
Mrs. Martin erwies sich erneut als äußerst resolute, rüstige Dame und erklärte mit Vehemenz, daß es sich eindeutig um Kerzenlicht gehandelt hatte und daß dies eben mit einiger Regelmäßigkeit geschah. Zudem erklärte sie nichts gehört zu haben, da sie zu ihrer Sicherheit die Fenster lieber geschlossen hielt, was er ihr nicht verdenken konnte und natürlich war da noch der Schnee, natürlich.
Zumindest aber konnte die Dame mit einem Namen behilflich sein, der sie vielleicht ein wenig weiterbringen würde. Einer der Jugendlichen war also früher häufiger auf dem Friedhof gewesen. Vielleicht würde das etwas Licht in die Begebenheiten dort bringen. Waren es wirklich nur Jugendbanden die sich dort einen Spaß machten? Alex sah den Blick den die Psychiaterin ihm zuwarf und nickte nur ganz leicht als er folgte und sich ebenfalls wieder erhob.
„Ja, vielen Dank, Mrs. Martin. Ich werde ihre Beschwerde auf jeden Fall weiterleiten und wir melden uns, sollten wir noch weitere Fragen haben.“
Kaum hatten sie beide das Apartment verlassen, schloß sich die Tür mit einem Ruck und sie hörten die Sicherungskette rasseln. Die alte Dame wußte sich wenigstens zu schütze, dachte Alex und machte sich mit Dr. Morgan weiter auf den Weg durch das Haus. Die nächsten zwei Türen wurden nicht geöffnet aber so etwas war eben normal. Nicht jeder war immer zu Hause und nicht jeder öffnete der Polizei freiwillig die Tür. Zwei weitere Anwohner trafen sie an, die jedoch zugaben gestern Nacht geschlafen zu haben und nichts Auffälliges mitbekommen zu haben. Alle waren sich jedoch einig, daß Mr. Payne ein netter, älterer Herr war, der jeden Grüßte und auch mal einen kurzen Plausch über das Wetter hielt, aber ansonsten keinen engeren Kontakt zu den Leuten hier pflegte.
Im obersten Stock angekommen, fanden sie den Namen 'Walsh' auf dem rechten Namensschild.
„Da wären wir. Hoffen wir, daß jemand da ist“, meinte Aleks leise und sah Dr. Morgan hoffnungsvoll an, als er an der Tür klopfte.
Auch wenn sich Mrs. Martin bestürzt zeigte über Mr. Paynes Tod, schien es sie nicht körperlich zu treffen in irgendeiner Weise. Das zumindest war ja schonmal gut. Sie erklärte, daß sie ihn wohl mehr als Nachbarn kannte, denn als guten Bekannten.
Was die alte Dame als nächstes sagte, war jedoch ziemlich interessant.
„Kerzenlicht, sagen sie?“, fragte er nach. „Ich nehme an, sie haben es von ihrem Fenster aus gesehen?“ Aleks deutete auf das Wohnzimmerfenster. „Sie sind sicher, daß es Kerzenlicht war? Keine Taschenlampen, oder vielleicht ein kleines Feuer, wie eine brennende Mülltonne?“
Die Nächte waren kalt und auch wenn es unwahrscheinlich war hier direkt bei der Kirche, hatten sich vielleicht ein paar Obdachlose an einer brennenden Tonne gewärmt. Nicht jeder dieser Leute zog es vor die Nacht in einem Asyl zu verbringen oder bekam jede Nacht einen Platz.
„Ist ihnen vielleicht noch etwas aufgefallen? Haben sie vielleicht Musik gehört oder so etwas?“
Ein Ghetto Blaster würde bedeuten, daß es vielleicht doch Jugendliche waren, die sich auf dem Friedhof rumtrieben. Die hätten dann vielleicht auch etwas aus nächster Nähe gesehen.
Die alte Dame blieb verschanzt hinter ihrer mit einer Kette gesicherten Tür, was Aleks eigentlich nur begrüßen konnte. Zu viele vertrauensselige alte Leute von Betrügern und anderen Verbrechern aufs Kreuz gelegt mit den miesesten Tricks, wie der Vorspieglung von einer Gasfirma zu sein, oder ein Notfall-Telefongespräch führen zu müssen. Die armen Alten ließen die Gangster in ihre Wohnung und hatten dann Glück wenn man sie nur bestahl und sie nicht schlug oder gar tötete.
„Nein M'am, es geht um eigentlich nicht um Drogenpartys“, erklärte er, während er seine Marke aus der Tasche zog und der Dame zur genaueren Betrachtung entgegen hielt. „Es ist gut, daß sie und Percy vorsichtig sind, M'am“, bestätigte er die ältere Dame dann mit einem Lächeln. „Wenn sie sich von unserer Identität überzeugt haben, wäre es vielleicht leichter wenn wir in ihrer Wohnung weiter reden könnten.“
Er dachte dabei eher an die ältere Dame, die sicherlich lieber saß und bei dem, was sie zu sagen hatten, war es vielleicht nicht das Schlechteste, wenn sie bei der Nachricht saß. Falls sie dieser Kirche angehörte, konnte der Schock über den Tod des Küsters recht stark sein. Sollte sie ihnen jedoch den Zutritt zu ihrer Wohnung verweigern, dann könnte er das auch nicht ändern. Zumindest aber versuchen konnte er es sie zu bitten.
Als Dr. Morgan zu lachen begann, mußte Aleksey für sich selbst feststellen, daß sie ein herzerfrischendes, fast schon ansteckendes Lachen hatte. Er lächelte sie an. „Wenn nun aber in einem achtstöckigen Haus einer im ersten und einer im sechsten Stock nicht geantwortet haben, dann müßte man trotzdem nochmal ziemlich weit hochkrackseln.“ Die Psychologin zeigte sich gelehrig und Aleks nickte dazu nur.
Auf sein Klingeln wurde so lange nicht geantwortet, daß ihre Hand sich bereits in Richtung des Nächsten bewegte, als schließlich doch der Summer erklang. Dr. Morgan drückte die Tür auf und war auch als Erste hindurch. Nun ja, hier war wohl keine Gefahr zu erwarten, aber vielleicht sollte er die energische Dame darauf hinweisen doch eher hinter ihm zu bleiben, wenn sie einen neuen Ort betraten.
Noch während er diesem Gedanken nachging, ertönte eine mißmutige, ältere Stimme, die wohl einer älteren Dame gehörte und versuchte sie abzuwiegeln. Bevor die Tür zugeknallt und vielleicht nie wieder geöffnet werden würde, drängte nun Alex an der Psychologin vorbei.
„Entschuldigen sie Ma'am, wir wollen nichts der Gleichen. Ich bin Officer Ikhtymbaev von der Chicago PD, dies ist unsere offizielle Beraterin Miss Morgan.“ Nachdem Aleks auf den Namen an seinem Polizeiparka gedeutet hatte, wies er auf die Psychologin neben sich. „Wir hätten ein paar Fragen an sie bezüglich des Vorfalls der letzten Nacht auf dem Kirchengelände. Hätten sie einen Moment Zeit?“
Aleks nickte etwas schüchtern, als der andere Mann ungläubig nachhakte ob seine Großmutter Kontakt zum Jenseits gehabt hatte. Einen Moment dauerte es, bis ihm klar wurde, daß der wieder nach vorne blickte, auf die Straße und nichts sah.
„Ja, sie war ein Medium.“
Noch immer recht zweifelnd klingend, gab Detective Scott zu, daß er sich die Existenz von Hexen schon irgendwie noch erklären konnte, mit anderen Wesen schien er es aber nicht so recht zu haben, denn er wollte lieber erstmal diesen Täter finden, bevor er sich Gedanken machte, was dort draußen vielleicht noch so alles herumlief. Ein wenig konnte Aleks diese Einstellung schon verstehen, aber er hatte zu viel Hintergrundwissen als daß er das alles einfach ausblenden konnte. Er war lieber darauf gefaßt, daß alles, woran er als Erwachsener langsam zu zweifeln begonnen hatte doch wahr war.
Mit diesem Gedanken hielt Aleksey lieber an sich nach der letzten Äußerung des anderen und so verliefen die letzten paar Minuten der Fahrt schweigend. Als sie bei der Kirche ankamen war er dann auch froh den Wagen verlassen zu können. Detective Scott sah dann auch gleich nach oben und fragte scherzhaft, ob sie nicht doch mitkommen wollten, die Steinfiguren zu begutachten. Ein Blick nach oben und zu den Positionen an denen die Gargoyle angebracht waren, ließ den jungen Officer recht schnell den Kopf schütteln.
„Ich glaube, das überlaß ich dann doch lieber meinen professionellen Seniors...“ Er lächelte ein wenig schief zu dieser Aussage und trat dann schnell auf die Psychologin zu, die ihm schon entgegen kam. Sie bedeutete ihm mitzukommen, nachdem sie sich noch verabschiedete und das tat er dann auch. Zielstrebig traten sie auf das erste Haus zu und Dr. Morgan fragte in welcher Reihenfolge sie sich wohl durchfragen sollten.
„Von unten nach oben. Sollte in einem der unteren Stockwerke jemand nicht anwesend gewesen sein, können wir auf dem Weg nach unten nochmal klingen“, erklärte er ihr den Grund für diese Vorgehensweise. Bei nur drei Stockwerken schien der Unterschied minimal und die Chance daß jemand in der Zeit dann doch anwesend war gering, bei acht, zehn oder mehr Stockwerken wurde der Sinn und Zweck aber schnell klarer.
Aleks trat auf die Tür zu und drückt auf das linke, unterste Klingelschild.
Tess bekam einen finsteren Blick. “Wag es ja nicht.“ murrte er. Er wollte von niemandem mit „Boss“ angesprochen werden. Dummerweise musste er sich auf den Verkehr konzentrieren, so dass er gerade nicht in der Lage war, Tess in einem Anfall von Rache zu kitzeln.
Marc betrachtete die steinernen Statuen ausgiebig, aber ihm fiel nichts ungewöhnliches auf. “Ich gehe davon aus, dass sie mit dem Turm verbunden sind, sonst würden sie nämlich in handlichen Brocken hier unten liegen.“ neckte er Tess.
“Ich hatte nicht vor, aus dem Fenster zu klettern.“ meinte er kopfschüttelnd. “Ich habe heute abend nämlich noch was vor...“ Er grinste in sich hinein. “Da wollte ich extrem lebendig und munter sein ... “
Ein Wagen vom CPD fuhr vor und Marc drehte sich um. Wie erwartet waren es Damien und Aleks.
Aleksey
Auch wenn Aleks versuchte nicht zu verspannt zu wirken als sie fuhren, gelang es ihm doch nicht so wirklich. Doch nach einigen Augenblicken mußte er feststellen, daß Detective Scott zwar schnell fuhr, aber nicht ganz so waghalsig, wie er es befürchtet hatte. Aleks versuchte sich auf das Gespräch zu konzentrieren, und nicht mehr weiter auf die Straße zu blicken. Die Andeutung, die der andere Mann dann machte, machte es etwas einfacher genau das zu tun.
Eigentlich hatte er sich geschworen seine Überzeugungen nicht mehr preiszugeben und sich 'normal' zu verhalten. Das Team in dem er jedoch nun gelandet war, änderte diese Einstellung. Hier konnte er doch er selbst sein.
„Naja, schon bei Shakespeare heißt es doch: Es gibt mehr Dinge im Himmel und auf Erden, als es eure Schulweisheit sich träumt. Mit einer solchen Einstellung bin ich aufgewachsen. Wenn man jemanden in der Familie hat, der Verbindung mit dem Jenseits aufnehmen kann, dann fällt es einem auch nicht so schwer an die Existenz von Werwölfen oder aber Gargoyle zu glauben. Außer den Fähigkeiten meiner Großmutter hatte ich allerdings noch keinen Kontakt zu übersinnlichen Wesen, um ehrlich zu sein. Ich kenne nur die alten Geschichten, die sie mir immer vorlas und erzählte. Ich gebe zu, daß ich mir bei Hexen und Werwölfen nicht so ganz sicher war, daß sie wirklich existieren mittlerweile, aber nachdem, was wir bisher wissen...nun ja, es ist wohl schwierig das alles einfach wegzudiskutieren. Ich gebe zu, daß ich letzte Nacht eines der alten Märchenbücher herausgesucht habe und darin geblättert habe. Wenn alle Wesen, die darin erwähnt werden wirklich existieren...dann...dann haben wir reichlich zu tun...“
Aleks Finger spielten nervös in seinem Schoß miteinander. Was hielt der andere Mann wohl von dem, was er hier sagte? Ein wenig unsicher blickte er zur Seite auf Detective Scott, der natürlich durch die Windschutzscheibe auf den Verkehr blickte.
Auf dem Weg nach draußen, hielt Aleks bei Alicia an und wartete darauf, daß Detective Scott die Formalitäten erledigte. Tatsächlich übergab die Dame ihm seine neue Marke und auch gleich Schlüssel für einen Dienstwagen mit dem Hinweis keinen Kratzer rein zu machen. Das hatte zu ihm noch niemand gesagt, wenn er die Schlüssel für einen Streifenwagen erhalten hatte. Gab es da irgendwo Hinweise in der Akte, daß der Detective ein gefährlicher Fahrer war?! Aleks gab das Ganze jedenfalls kein Gutes Gefühl.
Wie es schon zuvor den Anschein gehabt hatte, nahm der Detective alles ziemlich locker und salutierte Alicia locker bevor er sich wie ein kleiner Junge über seine Dienstmarke freute. Aleksey verstand diesen Mann beim besten Willen nicht. Obwohl es natürlich stimmte, daß die Form der Marke an einen Sheriffstern aus dem alten Westen erinnerte, war sein Verhalten doch etwas kindisch fand Aleksey. Auf das Winken des Mannes folgte er ihm hinaus und zum Wagen.
Mit leichtem Widerwillen stieg der russischstämmige Officer dann ein. Wenigstens war der Explorer groß, hatte viel Knautschzone und war mit allen Airbags bestückt. Anscheinend hatte der Detective seine Zurückhaltung bemerkt und fragte dann ob alles okay sei.
„Ähm, ja, alles gut, denk' ich... Ich bin wohl mit den Gedanken... noch bei der Besprechung und den ähm...Fakten die wir bisher haben“, log er nicht gerade allzu gut. Aleks wünschte sich sie wären einfach schon da. Leicht nervös zog er an seinem Gurt um sicher zu gehen, daß der richtig saß. „Ist...ist schon verrückt in was wir hier geraten sind, hm?“, versuchte er dann unsicher Konversation zu machen. Irgendwie mußten sie die ca. 20 min Fahrt ja herumkriegen.
Wie Aleks es sich gedacht hatte, entschieden andere über sein Schicksal. Als ihm aber bewußt wurde, daß er zwar raus mußte, aber wenigstens nicht auf dem Kirchendach herumkrakseln mußte, war er ganz zufrieden mit der Einteilung. Außerdem durfte er mit Dr. Morgan raus, das war vielleicht eine nette Abwechslung. Anwohner Befragungen waren ihm mehr als vertraut, da fühlte er sich auch recht sicher. Die Psychologin dabei zu haben war bestimmt auch für die Befragungen gut, sie hatte vielleicht andere Einblicke in die Antworten der Befragten als Aleksey selbst das haben wurde. Da der Boss sich nicht irgendwie anderweitig erklärte, war die Einteilung wohl angenommen und Aleks nickte Dr. Morgan zu.
Kurz klärte der Boss dann noch, daß der Detective seine neue Dienstmarke erhielt, bevor er vorschlug mit zwei Wagen zu fahren. Der junge Officer war dann jedoch ein wenig verwirrt. Wenn er doch mit Dr. Morgan zusammen arbeiten sollte, wieso fuhren sie denn nun getrennt? Aber dann wurde ihm klar, daß sie ja im Prinzip erst einmal das gleiche Ausgangsziel hatten.
„Ich hab' keinen Wagen“, gab er auf die Frage ob sie einen Dienstwagen bräuchten Schulterzuckend zu. Als kleiner Officer hatte er natürlich keinen eigenen Dienstwagen, und auch privat kam er so aus. Chicago war schließlich gut vernetzt mit Bus und Bahn.
Als Aleksey allerdings bewußt wurde, daß er mit Detective Scott fahren mußte, wurde ihm doch irgendwie etwas anders. Er konnte nicht so ganz sagen warum, aber er hatte ein wenig Angst vor dem Fahrstil des Mannes, mal ganz abgesehen davon, daß er absolut keine Ahnung hatte, was er auf der Fahrt zur Kirche mit dem anderen Reden sollte, sie schienen nicht wirklich viel gemein zu haben.
Dem beschwingten Schritt des Bosses folgte er ein wenig zurückhaltender zur Tür.
Alle waren sich wohl einig, daß sie es hier eher nicht mit einem Vampir zu tun hatten, jedenfalls nicht offensichtlich. Aleks selbst versuchte erst einmal nichts auszuschließen, denn, wie es aussah war er in dieser Gruppe wohl derjenige, der am offensten war für alles Übersinnliche und Absonderliche.
Der Boss hatte auf jeden Fall eine Frage, die Aleksey zum Nachdenken anregte. Wenn es sich um einen Gargoyle handelte, der die Kirche beschützen sollte, weshalb sollte er Schlüssel zur Kirche stehlen. Die einzige Erklärung, die ihm dazu einfiel, war daß die heutigen Kirchendiener von den Wächtern nicht mehr wußten und sie vielleicht einfach nur als Monster ansahen. Doch so oder so, mit den Kräften, die dazu nötig waren einen Mann mit Leichtigkeit durch die Gegend und ihm den Kopf abzureißen, wäre es doch sicherlich auch ein Leichtes gewesen sich Zugang zur Krypta zu verschaffen, oder aber daraus entflohen zu sein.
Während er sich darüber jedoch Gedanken machte, stimmte sein Boss zu, daß sie die Anwohner auf jeden Fall befragen sollten, gleichzeitig wollte er allerdings auch noch mit Pater Mallory sprechen auch in der Hoffnung, daß Pater Phelps nun vielleicht anwesend sein würde. Auf die Frage, wer mit dem Detective gehen würde, erwiderte der, daß sie beide keine offiziellen Marken hätten. Aleksey schüttelte den Kopf.
„Ich bin Chicagoer durch und durch. Born and raised, auch wenn mein Name nicht unbedingt darauf hinweist. Ich bin eben erste Generation." Er zuckte leicht die Schultern. "Meine Marke jedenfalls gilt.“ Dem jungen Officer war es egal wofür er eingeteilt wurde, aber er glaubte kaum, daß er da eine Entscheidung darin hatte. Aber natürlich war bei dem Wetter da draußen ein bißchen Schreibtischarbeit auch nicht das Schlechteste.
Auf die Rückfrage wie nun genau diese Steinstatuen genannt wurden, hielt sich Aleks zurück. Er hatte sich der Aussprache der Psychologin angeschlossen, da die schließlich danach geforscht zu haben schien.
Während Aleks sich nun Gedanken machte, was das Opfer getan haben könnte, daß er die Rache solcher Wesen verdient hätte, erklärte der Boss, daß Tür und Schloß jedenfalls nicht so beschädigt waren, daß etwas auf einen Ausbruch hindeutete. Vielmehr war wohl zu vermuten, daß jemand einen Schlüssel benutzt hatte.
Der Detective stellte dann ein paar gute Überlegungen an, die zusätzlich dagegen sprachen, daß ein Vampir hier mit im Spiel war. Aleks nickte nur leicht für sich selbst als er dem anderen Mann gedanklich zustimmte. Nach den alten Legenden hatten Vampire tatsächlich ein großes Problem mit Kirchen. In neuzeitlichen Romanen und Verfilmungen sah das natürlich ganz anders aus, aber das waren eben nur Stilmittel und künstlerische Freiheit. Wenn es um Fakten ging, dann hielt sich Aleks lieber an die alten Geschichten und Legenden, so widersprüchlich das im ersten Moment auch klang. So war er es dann auch, der auf die Frage reagierte, ob ein Vampir eine Kirche überhaupt betreten konnte.
„Nach dem alten Glauben wäre ein geweihter Ort wie eine Kirche sicher kein Ort an dem sich ein Vampir wohl fühlen würde. Sowohl Kreuze als auch Weihwasser schwächen sie. Allerdings könnten sie die Kirche trotzdem betreten und auch gefahrlos wieder verlassen, solange sie sich von diesen beiden Dingen fernhielten“, erklärte er was er zu dem Thema wußte oder zumindest zu wissen glaubte.
Allerdings stellte der Detective dann die eher entscheidenden Fragen. Was tat so ein Küster und was könnte er getan haben um der Kirche dermaßen zu schaden, daß er dafür ermordet würde. Es war Doktor Morgan, die jedoch meinte die viel wichtigere Frage sei, weshalb solch ein Übergriff erst jetzt stattfand, wenn die Kirche schon solange bestand. Natürlich hatte sie damit recht, so hatte er selbst das gar nicht gesehen.
Aleks schüttelte dann aber leicht den Kopf. „Ich meinte nicht nur das Gebäude an sich. Gargyle sollten die Kirche gegen Kräfte von außen schützen, sowohl dunkle Mächte abhalten, als auch real gegen menschliche Feinde. Dabei geht es jedoch nicht nur um die Mauern, sondern vor allem um die Menschen, die in der Kirche Zuflucht suchten. Auch wenn nur noch wenige Menschen davon Gebrauch machen, so ist eine Kirche immer noch ein Zufluchtsort und die meisten katholischen Priester nehmen diesen Brauch auch heute noch Ernst.“
Zu der Frage nach dem Verbleib des Schlüssel hatte Aleks jedoch eine ganz andere Auffassung. „Ich denke auch nicht, daß das Opfer den Schlüssel zu Hause gelassen hätte, wenn er seine Runde um das Gelände gemacht hat und zumindest Ärger mit ein paar Teenagern zu erwarten war. Wenn er den Schlüssel allerdings dabei hatte, dann wäre es doch ein Leichtes gewesen ihn dazu zu zwingen die Tür zur Krypta zu öffnen, oder aber, wenn wir wirklich davon ausgehen, daß es einen Boss gibt, daß der dem Wesen befahl die Schlüssel an sich zu nehmen. Wenn es um einen ganzen Bund ging, dürfte das auch für ein Wesen mit niederer Intelligenz nicht allzu schwierig gewesen sein.“
Auch Aleks sah dann jedoch zu seinem Boss um zu erfahren, wie es denn nun weitergehen sollte.
Auf die Frage des Detectives dachte Aleks kurz nach. “Hm, es waren drei Blocks, also knapp 500 Meter entfernt?” So ganz genau konnte er es nicht sagen und nur eine Schätzung abgeben, da er nicht wußte wie genau der andere Mann die Information brauchte. Eine weitere Zwischenfrage kam von Dr. Morgan. Dazu konnte Aleks allerdings nicht wirklich etwas sagen, außer daß es für ihn in jeder Form von Gruppe Sinn machte einem höhergestellten Wesen oder einem begehrten Partner solche Arten von 'Geschenk' zu machen.
Die Idee, die nun allerdings in die Runde geworfen wurde, war Aleks noch gar nicht gekommen. Er nickte sofort als die Psychologin überlegte, daß diese Figuren auch Tierpfoten haben konnten. „Greifvogelartige Klauen sind zwar verbreiteter, da viele Gargyle Flügel besitzen, aber auch Tierpfoten kommen vor. Allerdings sind Gargyle abgesehen von ihrem offensichtlichen Zweck des Wasserablaufs von den Dächern zum Schutz des Gebäudes bestimmt auf dem sie angebracht sind. Sie sind Wächter. Sollte es tatsächlich eine Magie geben, die sie zum Leben erweckt, ist es sehr schwer vorstellbar, daß sie ausgerechnet einen Diener derselben Kirche angreifen würden, außer er hätte der Kirche geschadet. Allerdings kenne ich nur Legenden in denen zum Leben erweckte Steinwesen auch steinartig bleiben. In der Gasse allerdings fanden wir Fetzen von festem, borstigem Fell in einer dunkelgrauen Farbe. Natürlich kann allerdings alles möglich sein, wenn Hexerei im Spiel ist. Auf dem Weg von der Gasse nach oben auf das Dach haben wir auf der Feuertreppe keine weiteren Spuren gefunden, es wäre also wohl nicht auszuschließen, daß das Wesen Flügel hatte.“
Doktor Morgan sprach dann weiter und stellte die Frage nach der menschlichen Intelligenz, die Aleks ja auch schon mit dem Boss besprochen hatte. „Nun, menschlich könnte hier auch relativ sein“, warf Aleks deshalb nun ein. „Sollte es sich tatsächlich um einen Werwolf handeln, dann könnte der auch im Dienst eines Vampirs stehen. Zumindest in den alten Geschichten und Legenden kommt das oft vor. Die Vampire sind die Herren über die nächtliche Tierwelt und dazu gehören auch die Wölfe und somit eben auch Werwölfe. Allerdings wäre die Blutverschwendung auf dem Dach dann wohl verwunderlich, aber zumindest die Möglichkeit sollte man im Hinterkopf behalten“, schlug Aleksey dann vor.
Zur Frage des Motivs war der junge Mann nicht wirklich weitergekommen, allerdings war ihm eine andere Frage gekommen. „Die Tür zur Krypta war doch geöffnet, nicht wahr?“, fragte er nach. „War sie mit einem Schlüßel von außen geöffnet worden, oder könnte sich auch etwas von innen einen Weg nach draußen gebahnt haben?“ Er sah zwischen dem Doc und dem Boss hin und her.