Aleksey

Aleksey reihte sich in die Schlange für einen Becher Kaffee ein, als der fertig war. Mit etwas Zucker und ohne Milch kehrte er auf seinen Platz zurück. Der Boss erklärte, daß er den Pater, den die Witwe für verdächtig hielt wohl eher ausschloß. Natürlich war es so einfach nicht, doch auch der Bericht der beiden anderen deutete darauf hin, daß die Witwe den Namen einfach nur in die Runde geworfen hatte, weil sie irgendeinen Schuldigen suchte, irgendetwas oder irgendjemanden gegen den sie ihre Wut und Trauer richten konnte. Das war normal.

Dann berichtete der Boss über ihren Fund und auch über ihre Schlußfolgerungen. Nachdem er den beiden anderen auf dem Laptop Bilder von ihren Entdeckungen zeigte, klärte er sie über ihre weitere Verfahrensweise auf und was sie auf dem Dach gefunden hatten. Dann richtete sich der Lieutenant direkt an ihn und Aleks hielt das für das Zeichen nun seine bisherigen Erkenntnisse zu teilen. Ein wenig nervös war er schon vor den anderen jetzt zu sprechen, aber er konnte nichts anderes tun, als sich Mühe zu geben.

„N-nun, nein.“ Er deutete mit einem nur leicht zitternden Finger auf den Schirm und das Bild, das die Blutlache am Besten zeigte. „Wie man hier recht gut sieht, handelt es sich um eine recht große Blutlache. Auch wenn ich schnell den Verdacht äußerte, daß entweder der ganze oder zumindest ein großer Teil des Körpers unseres Opfers hier verspeist wurde, wunderte ich mich doch, wo die Knochen abgeblieben waren, doch wie der Boss erklärte, haben Kanide keine Schwierigkeiten damit auch die Knochen restlos zu verspeisen.“ In seiner Nervosität konzentrierte sich Aleks nur noch auf die Fakten und war sich nicht bewußt, das er den Titel, den er seinem Vorgesetzten eigentlich nur in seinem Kopf gegeben hatte nun auch laut aussprach. „Was jedoch auffällig ist, ist die Menge an Blut die hinterlassen wurde, was zum einen dafür spricht, daß es sich vor allem um eine hastige Aktion gehandelt haben muß, zum anderen aber auch, daß das Kanide Wesen wohl nicht aus Hunger gehandelt hat, weil sonst auch das Blut so gut es ginge aufgeleckt worden wäre. Weshalb genau der Rest des Körpers nun dort vernichtet wurde, darüber können wir uns nicht sicher sein, ob es reine Lust war, oder vielleicht auch der Einfachheit halber geschah um ihn nicht weiter tragen zu müssen oder ein noch ganz anderer Faktor hier mitspielt, den wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht kennen. Eines kam jedoch sowohl dem Boss als auch mir sofort in den Sinn, und zwar daß der Kopf eine Art Geschenk ist. Eine Opferdarbietung. Es entspräche der Rudelmentalität, daß ein unterwürfiges Mitglied dem Alphatier ein Geschenk machen wollte. Und das würde natürlich bedeuten, daß wir mindestens mit einem weiteren dieser Wesen rechnen müssen. Im schlimmsten Fall sogar mit mehr.“

Aleks blickte in die Runde um die Reaktionen der anderen einschätzen zu können. Er hielt sich an seinen Papieren fest, die auf seinem Schoß lagen.

„Ich habe Nachforschungen angestellt, so gut das eben zu diesem Thema möglich ist“, fuhr er dann fort. „Anhand der Pfotenabdrücke, die wir fanden, und deren Größe, und auch der übrigen Fakten die bisher vorliegen, deutet alles daraufhin, daß wir es mit Werwölfen zu tun haben. Es gibt viele Legenden zu diversen Arten von Wertieren, wobei der Werwolf hauptsächlich aus dem Europäischen Raum stammt. Der alte Glaube berichtet, daß Menschen einen Vertrag mit dem Teufel machten um die Macht zu erhalten sich in Wölfe zu verwandeln. Nach diesem Glauben konnte man diese Fähigkeit auch nur so erhalten. Erst später tauchen Berichte auf, nach denen Menschen, die von einem Werwolf gebissen wurden, sich auch in einen solchen verwandeln konnten, davor wurden Opfer nicht einfach nur gebissen, sondern gerissen, getötet und verspeist. Ob sich Werwölfe auch paaren können, ist sehr schwierig festzustellen. Es könnte sein, daß die Verbreitung tatsächlich eher einem Virus gleicht und nur über den Biss übertragen wird. Folgt man dieser Legende, ist es ähnlich wie bei Vampiren, daß nur ein Teil der Gebissenen die Verwandlung tatsächlich erlebt oder überlebt. Einhellig ist jedoch der Glaube, daß die erste Verwandlung nur bei Vollmond stattfinden kann und man bis zur ersten Verwandlung ein Gegenmittel nehmen kann. Es gibt jedoch sehr unterschiedliche Interpretationen zu der Frage, ob Werwölfe sich nur bei Vollmond überhaupt verwandeln können. Da wir letzte Nacht jedoch keinen Vollmond hatten, müssen wir wohl davon ausgehen, daß eine Verwandlung unabhängig von den Mondphasen ist.“ Aleks holte tief Luft und sah die anderen wieder an. Während Dr. Morgan scheinbar sehr interessiert zuhörte, sah der Boss ihn mit einem Blick an, den Aleks nicht zu deuten wußte und der Detective sah so aus als brauchte er nur noch ein Kissen um ein Schläfchen zu halten. Der junge Officer spielte nervös am Papier in seinen Händen. „Ähm...hat jemand eine Frage dazu...?“

Damien

Auf die Teamplayer-Frage hatte Damien nur gelacht. “Bisher hat sich noch keiner meiner Kumpels je beschwert.“ In seiner Einheit hat immer jeder auf jeden aufgepaßt; jedenfalls bis zu dem Moment, wo irgendein höheres Arschloch das Bedürfnis hatte, ihm etwas anzuhängen; und Damien wußte, daß es keiner seiner Teamkameraden war. Das Motto war ‚nie jemanden zurückzulassen‘ und daran hielt er sich und auch sie hatten das nicht getan.
Da Scott gegenüber Lawrence keinen Namen bezüglich des ‚Farbigen‘ genannt hatte, erledigte das Tess und dankbar nahm er den Vorschlag von Kaffee an. Er nahm sich eine Tasse und schenkte sich ein: Kaffee schwarz!
Marc bestätigte, den Mann zumindest vom Sehen her zu kennen, während der junge Officer für Damien den Eindruck machte, daß er gleich wie ein Fünfjähriger vor Nervosität auf dem Stuhl herumrutschen oder einen Schlaganfall erleiden würde. Ein Schmunzeln unterdrückend zuckte Damien mit den Schultern. “Ich denke, sie sucht nur jemanden, den sie für schuldig halten kann.“ Mit dieser Sichtweise waren sich anscheinend alle einig.
Interessant wurde es allerdings, als Tess nach der Leiche fragte. Tatsächlich konnte Lawrence mit Fotos aufwarten und Damien beugte sich vor, um auf den Bildschirm des Laptop sehen, aber eine Leiche war nicht Sicht, da war nur Blut. Und ein Foto mit Abdrücken wie der, den sie auf dem Friedhof gefunden hatten.
“Scheint so, als wäre das der Großteil des Blutes von dem Kerl …“, meinte Damien nachdenklich. Kein Wunder, daß auf dem Schnee unter dem Kopf auf dem Zaun kaum etwas gewesen war. Dann hob er den Kopf. “Verspeist? Echt jetzt?“ Er blinzelte, das allerdings eher amüsiert, als schockiert.
Hier schaltete sich nun der junge Russe ein und Scott lehnte sich wieder im Stuhl zurück. Wie er das einschätzte, würde jetzt eine längere Erklärung folgen. Wie sich herausstellte, hatte er damit nicht unrecht und er nahm einen größere Schluck des schwarzen Gebräus aus seiner Tasse.
Eigentlich war es nicht uninteressant, was der Junge erzählte, denn Scott hatte keine Ahnung davon, daß Hunde oder diesem ähnliche Tiere auch Knochen fraßen. Aber warum nicht?! Sie beknabberter ja auch Knochen und das Mark war ja nahrhaft, das wußte sogar er.
“Na großartig!“, grummelte er aber dann, als es hieß, es könnte möglich sein, daß es mehr als einer war. Dann mußte er aber fast schon wieder lachen. Sie hatten einen Kopf ohne Rumpf und vermuteten etwas von einem Opfer für einen Höhergestellten und der Junge machte sich Gedanken um das Paarungsverhalten dieser Dinger?
Eine Frage hatte er aber trotzdem: “Wie weit ist das tatsächlich von der Kirche entfernt?“ Scott nickte mit dem Kopf zum Laptop hin und konnte selbst kaum glauben, was er gleich sagen würde. “Es hört sich schräg an, aber könnte es vielleicht sein, daß eines dieser Gargy-Dingsbumsen …“, dabei sah er kurz zu Dr. Morgan hin, “die oben auf der Kirche hocken, lebendig geworden ist und das getan hat?“

Aleksey

Auf die Frage des Detectives dachte Aleks kurz nach. “Hm, es waren drei Blocks, also knapp 500 Meter entfernt?” So ganz genau konnte er es nicht sagen und nur eine Schätzung abgeben, da er nicht wußte wie genau der andere Mann die Information brauchte. Eine weitere Zwischenfrage kam von Dr. Morgan. Dazu konnte Aleks allerdings nicht wirklich etwas sagen, außer daß es für ihn in jeder Form von Gruppe Sinn machte einem höhergestellten Wesen oder einem begehrten Partner solche Arten von 'Geschenk' zu machen.

Die Idee, die nun allerdings in die Runde geworfen wurde, war Aleks noch gar nicht gekommen. Er nickte sofort als die Psychologin überlegte, daß diese Figuren auch Tierpfoten haben konnten. „Greifvogelartige Klauen sind zwar verbreiteter, da viele Gargyle Flügel besitzen, aber auch Tierpfoten kommen vor. Allerdings sind Gargyle abgesehen von ihrem offensichtlichen Zweck des Wasserablaufs von den Dächern zum Schutz des Gebäudes bestimmt auf dem sie angebracht sind. Sie sind Wächter. Sollte es tatsächlich eine Magie geben, die sie zum Leben erweckt, ist es sehr schwer vorstellbar, daß sie ausgerechnet einen Diener derselben Kirche angreifen würden, außer er hätte der Kirche geschadet. Allerdings kenne ich nur Legenden in denen zum Leben erweckte Steinwesen auch steinartig bleiben. In der Gasse allerdings fanden wir Fetzen von festem, borstigem Fell in einer dunkelgrauen Farbe. Natürlich kann allerdings alles möglich sein, wenn Hexerei im Spiel ist. Auf dem Weg von der Gasse nach oben auf das Dach haben wir auf der Feuertreppe keine weiteren Spuren gefunden, es wäre also wohl nicht auszuschließen, daß das Wesen Flügel hatte.“

Doktor Morgan sprach dann weiter und stellte die Frage nach der menschlichen Intelligenz, die Aleks ja auch schon mit dem Boss besprochen hatte. „Nun, menschlich könnte hier auch relativ sein“, warf Aleks deshalb nun ein. „Sollte es sich tatsächlich um einen Werwolf handeln, dann könnte der auch im Dienst eines Vampirs stehen. Zumindest in den alten Geschichten und Legenden kommt das oft vor. Die Vampire sind die Herren über die nächtliche Tierwelt und dazu gehören auch die Wölfe und somit eben auch Werwölfe. Allerdings wäre die Blutverschwendung auf dem Dach dann wohl verwunderlich, aber zumindest die Möglichkeit sollte man im Hinterkopf behalten“, schlug Aleksey dann vor.

Zur Frage des Motivs war der junge Mann nicht wirklich weitergekommen, allerdings war ihm eine andere Frage gekommen. „Die Tür zur Krypta war doch geöffnet, nicht wahr?“, fragte er nach. „War sie mit einem Schlüßel von außen geöffnet worden, oder könnte sich auch etwas von innen einen Weg nach draußen gebahnt haben?“ Er sah zwischen dem Doc und dem Boss hin und her.

Damien

Als Lawrence ihn anherrschte hob Damien den Kopf. “Sorry, Mann“, antwortete er und hob die Hände, “das war nicht böse gemeint.“ Herrje! Er hatte plötzlich wieder Lust auf eine Kippe, steckte sich aber statt derer einen Kaugummi in den Mund.
Ob Haustiere ihrem Herrchen, Frauchen oder Personal Geschenke mitbrachten, war Scott so ziemlich egal, er hatte nie ein Haustier gehabt, weil es bei ihm keine Lebensperspektive gehabt hätte. Zumindest nicht, als er noch auf monatelangen Auslandseinsätzen gewesen war. Nachdem er zurück war, war er die meiste Zeit damit beschäftigt, sich zu rehabilitieren und er war einfach nicht dazu geeignet, auf ein Lebewesen zu achten, das von ihm abhängig war. Bei ihm schafften es nicht mal Pflanzen oder auch nur Kakteen.
Der junge Officer verkündete dann, daß der Ort des Blutfundes tatsächlich nicht allzu weit von der Kirche entfernt war, obwohl Damiens Vorschlag, daß es eines dieser Wächterdinger auf der Kirche gewesen sein könnte, von Dr. Morgan eher verworfen wurde. Trotzdem wurde vermutet, daß das, was auch immer den Anschlag begangen hatte, eine gewisse Intelligenz hatte.
“Würde sich dann nicht ein Täter genau dort verstecken, wo man ihn am wenigsten vermutet?“ gab Damien zu bedenken; warum dann nicht gerade auf / in einer Kirche. Warum man dort als Wächter aber keine Engel anbrachte, so man an so etwas glaubte, entzog sich Scott. Der Klerus predigte immer, der Teufel sei böse und dann stellten sie Dinger, die teilweise aussahen, wie man sich den Teufel vorstellte, auf eine Kirche.
Aleks sprach dann auch von Vampiren und wieder kam Damien Buffy in den Sinn. “Ich glaube auch nicht, daß ein Vampir soviel Blut ‚vergeudet‘ hätte, es sei denn, es wäre auch ein Opfer. Das Dach ist allerdings ein ungewöhnlicher Ort dafür.“ Daß ein Vampir was mit der Sache zu tun hatte, glaubte er nicht. “Vielleicht irre ich mich, aber Vampire haben es doch nicht so mit Kirchen. Wäre es im Falle eines Blutopfers für einen solchen dann nicht ein deutlicheres Zeichen gewesen, das Blut innerhalb der Kirche, womöglich noch auf dem Altar, zu vergießen und den Ort so zu entweihen?“
Daß der Kopf eine klare Ansage war, darin waren sich aber alle einig, dafür fand es, daß Lawrence sich selbst widersprach mit seinen bezüglich Mr. Payne und der Kirche (Anm. d. A, es bezieht sich hierauf: “Wenn es also nicht persönlich gegen Mr. Payne ging, dann ging es um die Kirche. Und die Steinstatuen bewachen diese Kirche. Irgendetwas hat Mr. Payne also offensichtlich getan, was diesen Wesen - oder deren Anführer nicht passte.“). Dann müßte es doch etwas Persönliches gewesen sein.
Bei ‚hochintelligent‘ war Damien sich auch nicht so ganz sicher. Wenn dem so war, warum war der Kopf dann einfach abgerissen? Für ihn wirkte das eher wie eine Kurzschlußreaktion und nicht wie fein säuberlich geplant, wie wirklich intelligente Wesen etwas tun würden. Man hätte das Opfer mitgenommen und gefoltert und hätte sicher kein Blut auf einem Dach zurückgelassen.
“Wenn wir davon ausgehen, daß Mr. Payne was Falsches getan hat, was könnte das dann gewesen sein?“ Er sah die anderen an und mußte dann wieder sein Unwissen, was Kirchen anging, eingestehen: “Was tut ein Küster? Läutet der die Glocken oder kühlt er den Meßwein oder putzt er die Preziosen?“ Womöglich würde das Lawrence wieder als Respektlosigkeit auflegen, aber Kirchen und Glaube waren nie Damiens Ding gewesen. Und um auf die offene Tür zu kommen …
“Da von dem Körper ja anscheinend nicht mal Reste übriggeblieben sind, können wir nicht prüfen, ob an seinem Schlüsselbund ein Schlüssel fehlt, der möglicherweise das Schloß geöffnet hat und dann mitgenommen wurde. Es sei denn, das Opfer hat den Schlüsselbund daheim gelassen, was ich für unwahrscheinlich halte, wenn es auf seiner allabendlichen Runde erwischt wurde.“

Aleksey

Auf die Rückfrage wie nun genau diese Steinstatuen genannt wurden, hielt sich Aleks zurück. Er hatte sich der Aussprache der Psychologin angeschlossen, da die schließlich danach geforscht zu haben schien.

Während Aleks sich nun Gedanken machte, was das Opfer getan haben könnte, daß er die Rache solcher Wesen verdient hätte, erklärte der Boss, daß Tür und Schloß jedenfalls nicht so beschädigt waren, daß etwas auf einen Ausbruch hindeutete. Vielmehr war wohl zu vermuten, daß jemand einen Schlüssel benutzt hatte.

Der Detective stellte dann ein paar gute Überlegungen an, die zusätzlich dagegen sprachen, daß ein Vampir hier mit im Spiel war. Aleks nickte nur leicht für sich selbst als er dem anderen Mann gedanklich zustimmte. Nach den alten Legenden hatten Vampire tatsächlich ein großes Problem mit Kirchen. In neuzeitlichen Romanen und Verfilmungen sah das natürlich ganz anders aus, aber das waren eben nur Stilmittel und künstlerische Freiheit. Wenn es um Fakten ging, dann hielt sich Aleks lieber an die alten Geschichten und Legenden, so widersprüchlich das im ersten Moment auch klang. So war er es dann auch, der auf die Frage reagierte, ob ein Vampir eine Kirche überhaupt betreten konnte.

„Nach dem alten Glauben wäre ein geweihter Ort wie eine Kirche sicher kein Ort an dem sich ein Vampir wohl fühlen würde. Sowohl Kreuze als auch Weihwasser schwächen sie. Allerdings könnten sie die Kirche trotzdem betreten und auch gefahrlos wieder verlassen, solange sie sich von diesen beiden Dingen fernhielten“, erklärte er was er zu dem Thema wußte oder zumindest zu wissen glaubte.

Allerdings stellte der Detective dann die eher entscheidenden Fragen. Was tat so ein Küster und was könnte er getan haben um der Kirche dermaßen zu schaden, daß er dafür ermordet würde. Es war Doktor Morgan, die jedoch meinte die viel wichtigere Frage sei, weshalb solch ein Übergriff erst jetzt stattfand, wenn die Kirche schon solange bestand. Natürlich hatte sie damit recht, so hatte er selbst das gar nicht gesehen.

Aleks schüttelte dann aber leicht den Kopf. „Ich meinte nicht nur das Gebäude an sich. Gargyle sollten die Kirche gegen Kräfte von außen schützen, sowohl dunkle Mächte abhalten, als auch real gegen menschliche Feinde. Dabei geht es jedoch nicht nur um die Mauern, sondern vor allem um die Menschen, die in der Kirche Zuflucht suchten. Auch wenn nur noch wenige Menschen davon Gebrauch machen, so ist eine Kirche immer noch ein Zufluchtsort und die meisten katholischen Priester nehmen diesen Brauch auch heute noch Ernst.“

Zu der Frage nach dem Verbleib des Schlüssel hatte Aleks jedoch eine ganz andere Auffassung. „Ich denke auch nicht, daß das Opfer den Schlüssel zu Hause gelassen hätte, wenn er seine Runde um das Gelände gemacht hat und zumindest Ärger mit ein paar Teenagern zu erwarten war. Wenn er den Schlüssel allerdings dabei hatte, dann wäre es doch ein Leichtes gewesen ihn dazu zu zwingen die Tür zur Krypta zu öffnen, oder aber, wenn wir wirklich davon ausgehen, daß es einen Boss gibt, daß der dem Wesen befahl die Schlüssel an sich zu nehmen. Wenn es um einen ganzen Bund ging, dürfte das auch für ein Wesen mit niederer Intelligenz nicht allzu schwierig gewesen sein.“

Auch Aleks sah dann jedoch zu seinem Boss um zu erfahren, wie es denn nun weitergehen sollte.

Damien

Lawrence‘ Gesichtsausdruck sagte, daß ihm für den Moment verziehen war, aber gut, daß der Mann Damien nicht ein Versprechen hatte abnehmen wollen, daß es nicht wieder vorkam. Da hätte er ihm nämlich nicht geben können.
Auf den Fall bezogen, schloß Tess einen Ritualmord eher aus und daß es kein Vampir war, darin waren sie sich alle einig. Trotzdem sprach der junge Officer, der sich anscheinend mit den Nachtkreaturen auskannte, nicht davon, daß es einem Vampir nicht möglich wäre, jemandem den Kopf abzureißen. Keine schöne Vorstellung! Und nach dem, was er in dem Video mit der ‚Hexe‘ gesehen hatte und der jetzige Fall mutmaßlich einem Werwolf zugeschrieben werden konnte, war es nicht unwahrscheinlich, daß es auch Vampire gab. Und was nicht sonst noch alles! Vielleicht war Afghanistan doch gar nicht so übel gewesen! Das waren wenigstens Menschen, gegen die er gekämpft hatte und nicht etwas Übernatürliches.
Auf die Erklärung, was ein Küster tat, brummte Damien verstehend. Es war wohl etwas, das im wahrsten Sinne des Wortes ein ‚Kirchendiener‘ war.
Er verstand auch, daß einem Wesen, daß einen Menschen so auseinandernehmen konnte, wohl eher weniger an einem Schlüssel lag. Also stand das Wesen wohl doch im Bunde mit jemand anderem.
Natürlich hatte auch Dr. Morgan recht, wenn sie fragte, warum, wenn die Kirche schon lange samt den Gargy-Dingens da stand, das erst jetzt passierte.
“Was, wenn die Sache mit der Hexe aus eurem Video etwas ausgelöst hast. So was wie eine … übernatürliche Schockwelle, die wer weiß wen alles aufgeweckt hat?“ Er sah die anderen an. “Könnte so etwas nicht auch was ‚Gutes‘“, Damien machte auch mit den Fingern Anführungszeichen, “wie die Wächter in etwas Böses verwandeln?“
Sein voriger Vorschlag zur Anwohnerbefragung wurde angenommen und Marc wollte auch den Priester noch einmal befragen.
“Da weder er“, Scott deutete auf Aleks, “noch ich schon eine offizielle Marke haben, sollte einer von euch mit mir gehen oder?“ Er konnte natürlich auch seine eigene Marke zeigen, aber es würden sich vielleicht nicht alle so leicht täuschen lassen wie Mrs. Payne, die bloß die Marke an sich gesehen hatte, nicht, in welche Stadt sie eigentlich gehörte.

Aleksey

Alle waren sich wohl einig, daß sie es hier eher nicht mit einem Vampir zu tun hatten, jedenfalls nicht offensichtlich. Aleks selbst versuchte erst einmal nichts auszuschließen, denn, wie es aussah war er in dieser Gruppe wohl derjenige, der am offensten war für alles Übersinnliche und Absonderliche.

Der Boss hatte auf jeden Fall eine Frage, die Aleksey zum Nachdenken anregte. Wenn es sich um einen Gargoyle handelte, der die Kirche beschützen sollte, weshalb sollte er Schlüssel zur Kirche stehlen. Die einzige Erklärung, die ihm dazu einfiel, war daß die heutigen Kirchendiener von den Wächtern nicht mehr wußten und sie vielleicht einfach nur als Monster ansahen. Doch so oder so, mit den Kräften, die dazu nötig waren einen Mann mit Leichtigkeit durch die Gegend und ihm den Kopf abzureißen, wäre es doch sicherlich auch ein Leichtes gewesen sich Zugang zur Krypta zu verschaffen, oder aber daraus entflohen zu sein.

Während er sich darüber jedoch Gedanken machte, stimmte sein Boss zu, daß sie die Anwohner auf jeden Fall befragen sollten, gleichzeitig wollte er allerdings auch noch mit Pater Mallory sprechen auch in der Hoffnung, daß Pater Phelps nun vielleicht anwesend sein würde. Auf die Frage, wer mit dem Detective gehen würde, erwiderte der, daß sie beide keine offiziellen Marken hätten. Aleksey schüttelte den Kopf.

„Ich bin Chicagoer durch und durch. Born and raised, auch wenn mein Name nicht unbedingt darauf hinweist. Ich bin eben erste Generation." Er zuckte leicht die Schultern. "Meine Marke jedenfalls gilt.“ Dem jungen Officer war es egal wofür er eingeteilt wurde, aber er glaubte kaum, daß er da eine Entscheidung darin hatte. Aber natürlich war bei dem Wetter da draußen ein bißchen Schreibtischarbeit auch nicht das Schlechteste.

Aleksey

Wie Aleks es sich gedacht hatte, entschieden andere über sein Schicksal. Als ihm aber bewußt wurde, daß er zwar raus mußte, aber wenigstens nicht auf dem Kirchendach herumkrakseln mußte, war er ganz zufrieden mit der Einteilung. Außerdem durfte er mit Dr. Morgan raus, das war vielleicht eine nette Abwechslung. Anwohner Befragungen waren ihm mehr als vertraut, da fühlte er sich auch recht sicher. Die Psychologin dabei zu haben war bestimmt auch für die Befragungen gut, sie hatte vielleicht andere Einblicke in die Antworten der Befragten als Aleksey selbst das haben wurde. Da der Boss sich nicht irgendwie anderweitig erklärte, war die Einteilung wohl angenommen und Aleks nickte Dr. Morgan zu.

Kurz klärte der Boss dann noch, daß der Detective seine neue Dienstmarke erhielt, bevor er vorschlug mit zwei Wagen zu fahren. Der junge Officer war dann jedoch ein wenig verwirrt. Wenn er doch mit Dr. Morgan zusammen arbeiten sollte, wieso fuhren sie denn nun getrennt? Aber dann wurde ihm klar, daß sie ja im Prinzip erst einmal das gleiche Ausgangsziel hatten.

„Ich hab' keinen Wagen“, gab er auf die Frage ob sie einen Dienstwagen bräuchten Schulterzuckend zu. Als kleiner Officer hatte er natürlich keinen eigenen Dienstwagen, und auch privat kam er so aus. Chicago war schließlich gut vernetzt mit Bus und Bahn.

Als Aleksey allerdings bewußt wurde, daß er mit Detective Scott fahren mußte, wurde ihm doch irgendwie etwas anders. Er konnte nicht so ganz sagen warum, aber er hatte ein wenig Angst vor dem Fahrstil des Mannes, mal ganz abgesehen davon, daß er absolut keine Ahnung hatte, was er auf der Fahrt zur Kirche mit dem anderen Reden sollte, sie schienen nicht wirklich viel gemein zu haben.

Dem beschwingten Schritt des Bosses folgte er ein wenig zurückhaltender zur Tür.

Damien

Daß die Wächter der Kirche ‚gut’ blieben, darin waren sich zumindest die anderen anscheinend einig, Damien war sich da nicht so sicher. Fast jeder konnte umgedreht werden. Er zuckte dazu nur mit den Schultern.
Allerdings konnte Tess recht haben. Warum erst jetzt, wenn das mit dem Tod der Hexe zusammenhing?! Was die Presse anging, verzog auch Damien das Gesicht.
“Die Presse würde ich auf jeden Fall erstmal da rauslassen. Die schreiben womöglich noch, daß ein unsichtbares, außerirdisches Raumschiff auf der Kirche gelandet ist und die Aliens den Küster zu Forschungszwecken auseinander genommen haben. Da kann nichts Gescheites bei rauskommen.“
Daß Tess als Berater des CPD nicht mal einen Ausweis hatte, der sie als Beraterin für eben dieses PD auswies, fand Damien merkwürdig. Da könnte ja jeder kommen und das von sich behaupten, aber er hatte auch noch nicht mit Beratern zusammengearbeitet, wußte also nichts über das Vorhandensein von Marken oder nicht. Jedoch sagte er lachend: “Falls ich mal ins Krankenhaus muß, nehme ich das gern in Anspruch.“ Er zwinkerte Tess zu. Um Krankenhäuser machte er am liebsten einen großen Bogen.
Der junge Officer meinte zum Thema Marken, daß er ja Chicagoer wäre und seine noch gelten würde. “Da bin ich wohl wieder der ‚odd man out‘. Er nickte Lawrence zu, als dieser mit Spinelli sprechen wollte und wandte sich dann an Aleks. “Ich bin sicher, daß noch viele weitere Generationen auf Dich folgen werden.“ Er schnalzte mit der Zunge und zwinkerte auch dem jungen Mann zu.
Die Doktorin teilte sie dann auch schon in zwei Teams auf und ‚paarte‘ ihn mit Marc. Der runzelte, genauso wie Scott, bei der Bezeichnung G.I. die Stirn, aber sie meinte es ja nicht böse. “Das ist nett, daß die Jungs den Spielplatz überlassen bekommen“, antwortete er mit einem Strahlen und erhob sich dann, nachdem Tess ihm und Marc auf die Schulter geklopft hatte.
Zu einem Dienstwagen würde er nicht nein sagen, da verblies er nicht sein eigenes Benzin und auch Aleks sagte nichts dagegen. “Dann holen wir uns den Schlüssel einfach mal bei Alicia …“
Und dieselbe Dame hatte offenbar auch schon seine Dienstmarke! Das ging ja schnell!
Alicia war die Dame, die er vorher schon kennengelernt hatte. “Hi“, grüßte er sie neutral. Daß er vorher Darling zu ihr gesagt hatte, hatte sie nicht unbedingt gut aufgenommen, “mir wurde gesagt, meine Marke wäre fertig und wir könnten auch den Schlüssel für einen Dienstwagen bekommen.“ Bei ‚wir‘ wies er mit dem Daumen auch auf Aleks, der ein kleines Stückchen abseits stand. Er bekam die Marke und auch den Schlüssel, allerdings mit dem Hinweis, keinen Kratzer in das Auto zu machen. “Verstanden, ma’am“, antwortete er und tippte sich kurz wie zum Salut an die Stirn. Erfahrungsgemäß würde er es ohne Kratzer schaffen; Beulen waren da schon eine andere Sache, aber in der Regel schrottete er keine Dienstwagen.
Nach dem Schlüssel nahm Scott auch die Dienstmarke. “Wow! Sieh sich das einer an“, stieß er aus, als er sich zum Ausgang wandte, “damit komm ich mir ja schon wie ein Sheriff vor!“ Er hielt den Stern hoch. Die Marke war so ganz anders als seine Detroiter. Aber immerhin hatte sie eine einprägsame Nummer: 0413, das Datum seines Geburtstages!
Damien winkte noch Aleks, daß er ihm folgen sollte und durch Drücken auf den Schlüssel zur Entriegelung fand er den Wagen. Nicht schlecht! Da er schon den Schlüssel hatte, stieg er auch auf der Fahrerseite ein und wartete, bis der junge Officer auch Platz genommen hatte. “Alles okay?“, fragte er, während er den Schlüssel in die Zündung steckte. Irgendwie sah der Junge etwas skeptisch aus.