2.25 p.m.



Jenna verzog das Gesicht. Klebriges Kaugummi in der Tasche war tatsächlich schlimmer. Das unheimlich klingende Lachen, was von Tessa durch die Gewölbe schallte, war allerdings auch nicht ohne.
Generell war das ganze Gewölbe nach vielen Abzweigungen jetzt auch eher langweilig. Keine Nischen, keine Schatztruhen, nicht einmal ein alter Knochen.
Ob diese Gänge einfach nur sinnlos im Kreis herumführten oder tatsächlich irgendein zu lüftendes Geheimnis verbargen ... wer wusste das schon.

Teresa meinte, sie wären tiefer, als die Gräber, aber das war Jenna auch erst dann bewusst, als sie über die Treppen und die Tatsache nachdachte, dass es hier leicht schräg abwärts ging.
“Wahrscheinlich hast du Recht.“ gab sie zu.

“Ihhhhh…“ machte sie dann, als Teresa sagte, dass diese Gänge vielleicht früher die letzten Ruhestätten gewesen sein könnten. “Aber dafür gibts hier keine Knochen…“ gab sie dann zu bedenken. Hier lag ja gar nichts herum.
So kam ihr der Vorschlag dann eigentlich ganz recht, wieder umzudrehen.

In dem Moment, als sie sich beide dazu entschlossen, zog es ihnen den Boden unter den Füßen weg und das nicht nur sprichwörtlich. Es rumpelte, der Boden wackelte und dann war da nichts mehr. Jenna fiel nach unten und rollte sich instinktiv zu einer Kugel zusammen. Zwar kam sie hart auf, hatte aber damit gerechnet und konnte sich abrollen. Zum Glück hatte sie die Hand mit dem Feuerzeug zu einer Faust geballt, damit sie es nicht verlor.
Jetzt lagen beide in einer brachialen Staub-, Erd- und Schmutzwolke und rangen hustend nach Atem.
Der Staub hatte sich auf ihre Lungen gelegt und liess ihre Stimme recht krächzend klingen. “Ich bin hier...“

Jenna kam auf die Knie und betete im Stillen, dass das Feuerzeug wieder anging. Nach ein paar metallisch klingenden, sinnlosen Versuchen erhellte die Flamme dann widerwillig doch wieder ihr staubiges Gefängnis. Ihr erster Blick ging nach oben zu dem, was sie als Falltür mit teuflisch raffiniertem Mechanismus erkannte.

“Verdammt...“ stieß sie aus. Die Klappe war auf wundersame Weise wieder verschlossen. Jenna stand auf und versuchte, mit den Fingern an den beweglichen Boden zu kommen, aber sie war zu klein.
“Alles in Ordnung bei dir?“ wollte sie von Teresa wissen und hielt das Feuerzeug in ihre Richtung.
“Ich nehm dich auf die Schultern, du musst versuchen, diese blöde Falltür wieder aufzukriegen.“

Wie konnten sie nur so dumm sein ...



2.40 p.m.



Marc blickte seufzend noch einmal auf das Handy, aber es machte keine Anstalten zu klingeln. Also steckte er es erstmal wieder in die Hemdtasche.
Dass Damien Recht behalten hatte mit seiner Annahme, dieses Vieh hatte es auf gleiche Blutgruppen abgesehen, wurmte ihn innerlich.
Ob es nun bedeutete, dass ihr seltsamer Mörder ein Vampir sein könnte, konnte Marc auch nicht beantworten.
“Was weiß ich.“ sagte er barscher, als beabsichtigt.

“Vampire saugen ihre Opfer aus und fressen sie nicht komplett auf.“ sagte er dann etwas ruhiger. Schliesslich hatten sie von jedem nur noch den abgerissenen Kopf.
“Lass uns in die Pathologie fahren.“ schlug er vor. “Vielleicht haben die noch andere Hinweise. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das die eine Blutgruppe anders schmeckt, als die andere...“ Aber wer wusste schon, wie ein Vampir schmeckte ?

Er widerstand dem Bedürfnis, das Handy erneut aus der Tasche zu ziehen nur schwer.
Da beide mit dem Auto gekommen waren, würde Damien sicher hinter ihm herfahren.

“Bis gleich ...“ verabschiedete er sich.


3.05 p.m.

Marc parkte auf dem letzten freien Parkplatz vor der Tür des Krankenhauses. Die Pathologie befand sich im Untergeschoss, aber die paar Minuten, die er warten müsste, bis Damien 100 m weiter auf dem Parkplatz einen Platz gefunden und wieder bei ihm war, würde er nutzen, Tess noch einmal anzurufen. Viellelicht hatte sie das Ding auch nur im Auto vergessen.
Wenn er sie nicht erreichte, würde er versuchen, den Pater anzurufen, vielleicht wusste der ja was. Andererseits benahm er sich wie ein frisch verliebter Teenager, doch das komische Gefühl in seinem Bauch liess einfach nicht locker.

2:50 p.m.



Jenna hustete, sie hatten ganz schön Staub aufgewirbelt und dieser schien sich hartnäckig in der Luft zu halten und unbedingt eingeatmet werden zu wollen.

Teresa stöhnte leise und schimpfte kinderfreundlich vor sich hin. Aber der Knöchel, auf den sie gefallen war, war offenbar nur verstaucht. Sie richtete ihren Blick ebenfalls wieder nach oben zu dem tückischen Falltürmechanismus.
Zwar traute sie sich zu, Teresa auch nur mit einer Hand zu halten und in der anderen das Feuerzeug, aber eine falsche Berührung am verletzten Fuß und sie beide würden wie ein Kartenhaus zusammenbrechen. Nicht die beste Idee also...
Da war das Handy schon eine bessere Idee. Jenna fasste mit der freien Hand in ihre Tasche, um das rettende Teil herauszuziehen, als es in ihrer Tasche ein jämmerliches Quäken gab und der Akku des Gerätes sich verabschiedete.

“Verdammt.“ Sie hatte es heute morgen eigentlich noch aufladen wollen. Dummerweise hatte sie es in der Eile vergessen und auch in den Tiefen ihres Handschuhfaches das Ladekabel während der Fahrt nicht finden können.

“Okay, wo ist deins …“ Sie leuchtete mit dem Feuerzeug auf dem Boden. Weit konnte das Ding ja nicht gekommen sein. Doch sie sah nichts und ihr kam ein Gedanke, der ihr Bauchweh bereitete.
“Liegt es vielleicht noch oben?“ mutmaßte sie, leuchtete aber sicherheitshalber noch einmal langsamer über den Boden. Vielleicht war es ja nur in ein kleines Loch im Boden gefallen...

3.10.pm



Marc hatte nur noch beschwichtigend genickt. Er hatte es ja auch nicht so gemeint und ärgerte sich über sich selbst.
Als er vor der Pathologie noch auf Damien warten musste, versuchte er es erneut, Tess anzurufen. Es tutete nicht und die Mailbox ging sofort dran. Marc machte sich schon seit einer gefühlten Ewigkeit Sorgen. So sprach er auf die Mailbox und bat dringend um Rückruf.

Als Damien kam und fragte, ob alles in Ordnung war, schüttelte er den Kopf. “Ich erreiche Tess einfach nicht. Vorhin ging sie nicht dran und jetzt ist die Mailbox an.“ Gerade wollte er das Handy wieder in die Hemdtasche stecken, da klingelte es. Marc ging dran, hörte dem Anrufer zu und schloss für einen Moment die Augen. Verdammt, hier lief doch gewaltig etwas schief.

“Vielen Dank für den Anruf, ich kümmere drum, dass sie abgeholt wird.“
Schon wählte er wieder, ging aber ein paar Schritte zur Seite und sagte zu Damien, dass er schonmal reingehen könnte, er würde nachkommen.


Im Gebäude würde der Pförtner ihm den Weg in den Keller schon weisen und der Pathologe konnte in der Zwischenzeit vielleicht noch die eine oder andere Übereinstimmung der beiden Köpfe finden.



3.15 pm



Es halft etwas, durch den Stoff ihres Oberteils zu atmen, so filterte sie ein bisschen Staub aus der Luft und bewahrte Ihre Lungen vor Hustenattacken.
Mit der anderen Hand hielt sie das Feuerzeug. Das allerdings wurde auch langsam zu warm an den Fingern und da Teresa nun festgestellt hatte, dass ihr Handy hier wohl auch nicht lag, liess sie es ausgehen. Beide saßen ja auf dem Boden und beruhigten sich erst einmal etwas.
Und reden konnten sie ja auch im Dunkeln.

“Das Ding wird heiß.“ erklärte sie zum plötzlichen Einbruch ihrer persönlichen Dunkelheit.

Wenn sich Teresa auf alle Viere begab, war sie quasi wie ein Hocker. Kniehoch. Bei ihren 1,74 m ergab das eine Gesamthöhe von etwa 2,25 m. Bei über dem Kopf ausgestreckten Armen erhöhte sich ihr Wirkungsradius um 40 cm auf etwa 2,65 m. Die Deckenhöhe war an die 3 Meter.
“Nein.“ war also ihre ernüchternde Antwort. Andersrum brachte sie das auch nicht weiter, Teresa war nur wenige Zentimeter kleiner als sie.

Auf die Schultern nehmen fiel aus, weil sie beide Hände zum Festhalten brauchte. So jedenfalls stellte es Teresa da.
“Wir sollten das mit dem auf die Schultern nehmen noch mal überlegen....“ schlug sie vor. Es würde gehen. Licht an, richtig positionieren, Licht aus, raufklettern und dann im Dunkeln tasten. Was hatten sie sonst für eine andere Möglichkeit ? Warten ? Auf wen ? Dass der alte Pfarrer auf die Idee käme, nach ihnen zu suchen, weil sie nicht mehr in der Bibliothek waren?
Nein, das schloss sie eigentlich aus.
Damien ... nunja, der würde sie hier nicht suchen, weil er gar nicht wusste, wo sie sich herumtrieb.
Aber vielleicht war Teresa verheiratet und ihr Mann war nicht so ein Ekel, sondern sorgte sich, wenn seine Frau zu lange fortblieb.
“Hast du einen Kerl?“ fragte sie also. “Einen, der dich auch vermisst?“
Vermutlich aber war der in irgend einem klimatisierten Büro und musste noch bis abends um sieben irgendwelche Unterlagen wälzen.
Jenna seufzte...

3.30 pm



Jenna stutzte, als Teresa einen seltsamen Laut von sich gab. “Was ist?“ fragte sie und versuchte, sich NICHT vorzustellen, dass gerade eine fette, haarige, schwarze, langbeinige, eklige Spinne über deren Hand lief. Vorsichtshalber hob sie ihre Hand schon mal außer Reichweite. Die Viecher hasste sie ja wie die Pest.

“Mach ich.“ versprach sie, als Teresa bat, das Feuerzeug ab und zu anzumachen.

Auf die Frage nach einer männlichen Begleitung von Teresa reagierte diese etwas gereizt. Na, in dieses Wespennest würde sie aber nicht noch weiter pieken. Ihre kleine Tochter würde zumindest über Umwegen nach ihr suchen. Zumindest würden vielleicht die Großeltern, die vergebens auf die kleine Maus warten würden, irgendwann hellhörig werden.
“Und deine Eltern wissen, wo du bist?“ hakte sie nach. Das klang nach übertrieben besorgten Eltern. Jenna hob eine Augenbraue, aber gut, dass man das im Dunkeln eh nicht sah. Ihre Mutter rief einmal im Monat an, um sich zu erkundigen, ob es ihr noch gutging, aber sie selbst käme auch im schlimmsten Alptraum nicht auf die Idee, die Herrschaften wissen zu lassen, wo sie sich gerade herumtrieb.

Eine Räuberleiter. Nunja, das brachte sie wenigstens einen Meter höher, vielleicht reichte das ja schon. Jenna ließ das Feuerzeug aufflackern und leuchtete Boden und Wände sowie die Decke ab.
“ok, ich stell mich hier an die Wand. Nimm du das Feuerzeug.“ Sie hatte bei der Räuberleiter sowieso keine Hand mehr frei.

Es wurde wieder dunkel und Jenna suchte nach Teresas Hand, um ihr das Feuerzeug behutsam in die Hand zu geben.
“Bitte nicht fallenlassen...“ bat sie. Das Ding war für sie kostbarer, als man denken konnte.
Dann stellte sie sich mit dem Rücken an die Wand, verschränkte die Hände und stupste damit Teresa an.
“Hier bin ich... na los...“
Je eher sie die blöde Falltür aufbekamen, desto besser. Sie musste nämlich auch mal aufs Klo...


3.25 pm



Marc kannte den Weg, rannte aber, weil er völlig in Gedanken und Sorge war, an der großen Schwingtür vorbei. Als er am Hinterausgang wieder rauskam, schlug er sich vor den Kopf und riss sich zusammen. Aber damit scheiterte er kläglich. Sobald sie hier raus waren, würde er die verdammte Kirche auf den Kopf stellen. Moment... warum war er da nicht schon eher drauf gekommen.
Er rief die Auskunft an und liess sich mit Pater Malory verbinden. Der Empfang war im Untergeschoss eher lausig, also lief er die Treppe wieder hinauf. Beim Pater meldete sich dessen Hausangestellte. Der Pater wäre in einer Nachmittagsmesse und erst in einer Stunde wieder zu erreichen.
Und die Dame des Hauses hat jetzt auch keine Zeit mehr, versprach aber, mal einen Blick zu werfen, ob sie die junge Dame fände und diese gegebenenfalls zu bitten, doch mal anzurufen.

Mehr erreichte er nicht. Aber wenn es nur der Akku oder der Empfang war, würde Tess bestimmt Mittel und Wege finden, sich bei ihm zu melden.

Jetzt musste er aber schleunigst zu Damien, und sich über mögliche Informationen bei der Untersuchung der Köpfe schlau zu machen.

Als er endlich ankam, unterhielt sich Damien mit dem Pathologen.

„... mit an Wahrscheinlichkeit grenzender Sicherheit sagen, dass beiden der Kopf mit äußerster Kraft und Gewalt einfach abgerissen wurde. Die Blutgruppen stimmen überein und beide wurden in der jeweiligen Nacht getötet. Was wir allerdings feststellen konnten, dass die Köpfe mit irgendetwas festgehalten wurden, bzw. gegriffen. Mein Kollege untersucht noch die Abdrücke, die wir in den Schädelplatten gefunden haben. Es könnte sich um Zangen handeln oder etwas ähnliches...“

Der Doc fasste mit seinen behandschuhten Händen den Schädel des Architekten an und drehte ihn etwas ins Licht.

„Sehen Sie? Hier ist ein Abdruck und hier sind vier etwas näher beieinander. Und das auf beiden Seiten“

Die Abdrücke waren in den Schädel hineingedrückt, die Haut gab an den Stellen nach und hing wie eine kleine Blase nach draußen. Die einzelnen Abdrücke waren am Hinterkopf, die vier nebeneinanderliegenden an den Wangen.

03:50 p.m.



Nunja, besonders einladend war es hier unten nicht. Jenna gab einen zustimmenden Laut von sich.
Um so mehr war es an der Zeit, etwas zu tun, damit sie hier rauskamen.

Mit Hilfe des Feuerzeugs warfen sie noch einen Blick auf die Falltür von unten, bevor es wieder dunkel wurde.
Dann spürte sie etwas weiches auf ihren Händen und begriff, dass Teresa ihre Stiefel ausgezogen hatte. Auf drei drückte sich die andere Frau vom Boden weg und Jenna versuchte, so wenig wie möglich zu wackeln. Sie hob die Hände ein bisschen, damit Teresa besser auf ihre Schulter klettern konnte. Sobald sie mit beiden Füßen stand, gab sie ihr Halt, indem sie ihre Waden festhielt.

Eine gefühlte Ewigkeit lang war es dunkel und das Gewicht auf ihren Schultern schien immer schwerer zu werden.
Dann endlich ein kleiner Lichtschimmer. Teresa hatte das Feuerzeug an und hielt es an die Falltür. Feiner Sand rieselte auf ihren Kopf, als Teresa am Mauerwerk pulte, um den Mechanismus der Falltür zu finden.

Aber sie bekam die verdammte Tür nicht wieder auf.
“Ok, komm wieder runter.“ keuchte sie und liess die Beine los, um wieder die Hände zu verschränken. “Ich helf dir …“ sagte sie und berührte leicht Teresas Fuß, damit sie nicht blind im Dunkeln herumtastete und womöglich noch ihre Hand-Stufe verpasste.
“Jetzt runter.“ gab sie das Kommando, als ihre Hände so waren, dass Teresa bequem auch wieder runterklettern konnte.

“Wir müssen was anderes überlegen....“ Aber was? Zum rufen waren sie schon viel zu tief unten und durch die Gänge spaziert. erstmal müsste jemand ihrem Weg folgen und dann noch so schlau sein, nicht auch den Mechanismus der Falltür zu treffen, sonst lagen sie hier zu dritt oder viert.

Denk nach Jenna....

“Vielleicht tasten wir uns an den Wänden weiter. Irgendwo muss es doch auch einen Ausgang geben.“ Sinnloses Unterfangen vermutlich, aber nur herumsitzen und warten war nicht Jennas Ding.

3.40 p.m.



Mit aller Kraft versuchte sich Marc auf den Pathologen zu konzentrieren. Er blickte auf den Schädel. Damiens „Festgehalten“ beschwörte ein fieses Bild vor seinem inneren Auge hervor.
Ein Bild, dessen Inhalt er lieber nicht laut aussprach. Jedenfalls nicht jetzt.
“Äußerst brutal…“ murmelte er nur und beugte sich ein Stück hinab, um sich die die kleinen Einbuchtungen genauer anzusehen.
Wahrscheinlich dachte Damien das gleiche, wie er. Marc nickte. “Gut möglich, ja...“ Das waren recht eindeutig Klauen. Marc meinte sogar, die spitzen in den runden Einbuchtungen sehen zu können und erschauerte. Aber hier unten im Keller war es kalt.
Viele Gefühle rauschten durch ihn und erzeugten ein äußerst unangenehmes Kopfkino.

“Vielen Dank... ich glaube, das hilft uns schon weiter. “ wandte er sich an den Pathologen und winkte Damien dann, mit ihm nach draußen zu gehen.

Erst als er an der frischen Luft war, atmete er tief durch. Ein Blick auf sein Handy zeigte, dass sich Tess immer noch nicht gemeldet hatte.
“Wir fahren in die Kirche.“ verkündete er. “Steig ein.“ Sein Auto stand schließlich fast vor der Tür.

“Tess wollte heute vormittag in die Kirche und jetzt erreiche ich sie nicht mehr.“ klärte er Damien auf. “Sie hat ihre Tochter nicht vom Kindergarten abgeholt...“ Marc beendete den Satz nicht. Damien konnte sich sicher denken, was er dachte:
Da war irgendetwas passiert.
Am schlimmsten war, dass sie nicht einmal IHN angerufen hatte, damit er die kleine Maus abholte.



04:15 p.m.




Welcher Trottel baute Falltüren in einen Keller?
“Ein Trottel, der entweder scharf auf zu neugierige Mädchen ist oder ein Trottel, der irgendwas zu verbergen hat.“
Wenn letzteres der Fall war, musste man aber auch irgendwie wieder herauskommen aus diesem finsteren Verließ. Apropos Verließ ...“Du hast nicht zufällig eine Fackel oder sowas gesehen?“ fiel ihr ein.

Teresa mit ihrem umgeknickten Knöchel gab einen Schmerzlaut von sich, als sie wieder auf dem Boden war. “Bis du heiratest, ist das vorbei ... hat meine Grandma immer gesagt.“ versuchte sie, ihre neue Freundin etwas aufzumuntern. “Oder bist du schon?“
Als Teresa ihr das Feuerzeug zurückgab, nahm sie es erleichtert an, strich zärtlich darüber und steckte es in ihre enge Jeanshosentasche.

Teresa gab nun aber zu bedenken, dass ihnen hier unten der Sauerstoff knapp werden könnte.
“Mach keinen Scheiß...“ stieß sie hervor. Hier unten in diesem .... Grab ... zu ersticken war das Letzte, was sie vorhatte.
“Mal angenommen, das ist eine Falle. Dann sehen wir zwar alt aus, aber so alt ist auch das Gemäuer, das ist doch nicht mehr dicht. Da muss Luft reinkommen. “
Gegenteilig dazu hielt sie selbst die Luft an und hielt ihre Hände in die Höhe. Sah sicher albern aus, aber es war dunkel und Teresa sah es nicht. Aber so wollte sie fühlen, ob es nicht doch einen Luftzug gab.

“Und wenn das Ding hier so eine Art Fluchttunnel ist?“ schlug sie vor.
“Irgend so ein finsterer Bube treibt sein Schindluder, rennt in die Kirche, tritt auf den geheimen Mechanismus, lässt sich in die Tiefe fallen und rennt hier dann unerreicht von dannen...“ Im Dunkeln liess sich zwar gut tasten, aber man übersah wohl auch so ziemlich jedes Loch oder Unregelmässigkeit in der Wand.

“Scheiße….“

Marc fuhr ziemlich rasant. Er hatte es eilig. Damiens offensichtlicher Versuch, seine Gedanken auf das Wesentliche zu konzentrieren, funktionierte erstaunlicherweise. Zwar senkte er das Tempo nur geringfügig, konzentrierte sich aber sowohl auf den Straßenverkehr, als auch auf Damiens Frage.

“Die aus der Pathologie wissen nichts, außer demjenigen, der die „Hexe“ obduziert hat. Allerdings bewahrt er Stillschweigen.“ informierte er seinen Kollegen.
“Frank weiß es natürlich, aber sonst sind wir mit diesem Wissen ziemlich allein ...“

Eine rote Ampel zwang Marc zum Anhalten. Er drehte sich seitlich zu Damien.
“Mir wäre es auch am liebsten, wenn niemand auf dieser Welt überhaupt davon erfährt. Wir müssen in jedem Fall schneller sein und diese ... Monster beseitigen. “ Die Ampel wurde gelb und er legte den Gang ein.
“Bevor sich die Presse oder sonstwer das Maul darüber zerreisst...“

Zum Glück gab es vor der Kirche ein paar freie Parkplätze, so dass Marc den erstbesten nahm und die Tür hinter sich zuwarf, als er ausgestiegen war.

Marc riß die schwere Eingangstür auf, als wäre es ein Blatt Papier. “Tess?“ rief er so laut es der heilige Ort zuliess und lauschte.

“Frag den Pater, bitte ...“ rief er Damien zu und eilte in Richtung Altar.
“Ich schau hier schonmal...“ Auch wenn Tess hier offensichtlich nicht war. Zum Glück war niemand hier und so richtete er den Blick nach oben.
“Bitte lass ihr nichts zugestoßen sein.“ bat er leise und wie in einem Gebet.
Dann ging er zu der Tür, hinter der es in die Krypta hinab ging.
“Tess ????“
Stumm lauschte er der Stille. Oder hatte er doch ein Geräusch gehört? Erneut griff er nach seinem Handy und wählte zum gefühlt 1000 Mal Tessa’s Nummer. Zum Gefühlt 999. Mal erklang die Mailbox.

Marc schnaufte und unterdrückte einen Fluch, bevor er sich ans andere Ende der Kirche begab. Hier ging es in die Bibliothek.



4.35 p.m.



Jenna hatte die Beine ausgestreckt. So liess es sich ein wenig bequemer sitzen.
“Du warst verheiratet?“ hakte sie nach. Ein Stück Hoffnung zerbrach. Also kein Ehemann, der nach ihr suchte. Und keine Fackel. Jenna schnaufte.

Die Aussicht, dass sie, wie eine der gefallenen Verfolger des Alkohols verhungern oder schlimmer, ersticken würden, war nicht gerade das Nonplusultra.
“Schächte.“ entgegnete sie nur auf Teresas Worte, dass sie unter der Erde waren, wo es eben keine Luft gab. “Oder irgendwas anderes. Hohlräume.“ Irgendwie musste sie sich etwas Hoffnung erzeugen.

Teresas Worte liessen sie leise aufstöhnen. “Hab ich vor diesem Haufen eigentlich nie Ruhe?“ grummelte sie. Scheinbar hatte jeder, den sie hier traf, irgendetwas mit dem CPD zu tun. Aber immerhin war es Hoffnung. Ein klein bisschen.
“Und du meinst, die kommen hier runter und plumpsen nicht wie ein Kartoffelsack in eben dieses Loch?“ Für sonderlich dämlich hielt sie sich selbst nicht und auch nicht Teresa, dennoch waren sie wie eine Maus in diese blöde Falle gerannt.
“Selbst wenn wir rufen, in dem Moment, wo sie auf die Klappe treten, können wir sie hier unten herzlich willkommen heißen.“ Ironie war das einzige, was sie etwas aufrecht hielt.

“Kennst du Damien?“ erkundigte sie sich und stellte dabei fest, dass ihr Herz ein ganz klein wenig schneller schlug, nur weil sie seinen Namen erwähnte. Ein breites Grinsen überzog ihr Gesicht, dass Terese aufgrund der Dunkelheit zum Glück nicht sehen konnte. Nicht, dass es ihr peinlich wäre, aber in dieser Situation zu grinsen hielt sie irgendwie für grotesk.