Marc drehte den Kopf und sah Tess zweifelnd an. “Durchsucht? Den Kopf?“ Mehr war von dem armen Mann schliesslich nicht mehr übrig gewesen. Ob etwas seine Kleidung durchsucht hatte, bevor es sie verspeist hatte, konnte man wirklich nicht mehr feststellen.
“So ein Vieh wird kaum in den Taschen herumsuchen ...“ Ein Hund konnte das zwar auch gut, sehr gut sogar, wie er aus eigener Erfahrung wusste, aber so eine eigentlich steinerne Statue ... stand normalerweise hoch oben an der Kirche und passte auf.
Er konnte sich das genauso wenig vorstellen, wie Tess.
“Vielleicht ist es beim Fressen aus den Taschen gefallen ...“ Sein eigener Hund spuckte auch aus, was er nicht mochte.
Wenn man die Statuen mit Hunden vergleichen konnte, konnten sie - im lebendigen Zustand - ja vielleicht sehr gut hören.
Auch Tess verglich das Wesen mit einem Hund und Marc konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Wie fast jeder Hundebesitzer hielt er sehr viel von der Intelligenz seines eigenen Hundes.
Wenn man weiter verglich, ein wilder Hund, ein Wolf, handelte mehr aus Instinkt. Da kam das mit dem Beutemachen schon eher hin.
“Vielleicht mochte er keinen Kopf...“ Nach DER Lösung schlechthin klang das wirklich nicht. Aber wer konnte schon fremdartige, normalerweise nicht lebende Wesen einschätzen.

In der Zwischenzeit waren sie am Revier angekommen, Tess stieg aus und winkte, bevor sie davonfuhr.

Der Abend verlief wie einer von vielen, in denen er mitten in Ermittlungen steckte. Mit vielen endlosen Fäden kam er auch heute natürlich nicht auf eine logische Lösung ihres Falles. Vielleicht hatten sie morgen mehr Glück, wenn Aleks sie mit ein paar aufschlussreichen Informationen versorgen konnte.

Während er die allabendliche Runde mit dem Hund drehte, zückte er das Handy und rief Tess an.
“Hast du Lust, mit mir noch eine Runde um die Kirche zu drehen?“ fragte er mit einem Grinsen im Gesicht.
“Ich besorge auch einen Babysitter... “
Bis er nach der Hunderunde bei ihr war, hatte Tess genug Zeit, sich anzuziehen.
“Vielleicht fällt uns im Dunkeln ja was auf...“ erklärte er seine Gedankengänge.




Damien wollte sich wieder in der Bar treffen. Jenna willigte ein.

“Nein, nein.“ wehrte sie ab. Der heutige Tag war ereignisreich gewesen, sie hatte viele Informationen und so leid es ihr tat, musste sie ihrem Job zumindest heute Vorrang geben. Immerhin musste sie Miete und die Reparatur ihres Autos bezahlen.
Die letzte Nacht war lang gewesen, an Schlaf war kaum zu denken gewesen und heute Nacht würde sie sowieso einschlafen, sobald ihr Kopf ein Kopfkissen berühren würde. Welches das letztendlich sein würde, nun, darüber würde sie später entscheiden.
Aber vielleicht liess sich Damien ja auch dazu überreden, etwas von seinen Ermittlungen preiszugeben.

“Ok, in einer halben Stunde?“ Das gab ihr Zeit, sich noch etwas frisch zu machen.

Ein paar Minuten nach der verabredeten halben Stunde traf sie in der Bar ein und schob sich neben Damien auf den Barhocker. “Naa...“ Ihr Blick ging über seinen Körper. Er war schon ein leckeres Kerlchen, hoffenlich warf sie ihre Vorsätze nicht zu bald über Bord.

Nunja, wie hätten sie denn anhand eines Kopfes feststellen, ob der Mann durchsucht wurde?
Marc sah Tess skeptisch an. “Man konnte es jedenfalls nicht erkennen.“
Sein Hund hingegen wusste ganz genau, in welchen Taschen er zu schnuppern hatte, um etwas zu finden. Seine rechte Jackentasche und Körbe von Besuchern standen da auf seiner Liste ganz weit oben.
Aber zurückzukommen auf „ihr“ Viech. “Wenn er beim Kopf abreißen den Körper nur kräftig geschüttelt hat, dann ist sicher alles aus seinen Taschen herausgefallen.“ meinte er und versuchte, das Bild von fliegenden Hundekeksen aus seinem Kopfkino zu verbannen.

“Mal angenommen, er hatte etwas dabei, wurde es ihm ja auch viellelicht schon vorher von einem Menschen abgenommen. Angenommen, es ging nicht um Gegenstände, hat das Vieh den Mann einfach so und völlig willkürlich geschnappt? Wenn es denn ein Gargoyle ist, ist ihm doch der Küster bekannt ....“ Nach einer kurzen Denkpause, setzte er fort. “Vielleicht gingen dem Vieh die Glocken auf die Nerven?“

Seine Gedanken gingen in Gegenden, in die sie nicht sollten. Eine Steinstatue hatte eigentlich keine Nerven...

Die Runde mit dem Hund brachte seine Gedanken wieder in normale Regionen und das Handy an sein Ohr. Klar, dass Tess ihn gewissermaßen fragte, ob er noch alle Tassen im Schrank hatte. Marc lachte leise und erklärte, was er vorhatte.
“Vielleicht ergibt sich nach dem Spaziergang um die Kirche ja noch ein Besuch in einem netten, kleinen Pub.“ lockte er sie und nannte ihr auch den Namen des Babysitters.
Tess willigte ein und er kehrte mit dem Hund wieder nach Hause.
Ihr Babysitter stand, wie auch er, wenig später vor ihrer Tür und war schon im Gespräch mit Tess, mit der sie alles besprachen. Danach setzten sie sich in seinen Wagen und fuhren zur Kirche.

Es war schon stockdunkel draußen, ein paar kleine Schneeflocken rieselten gemächlich auf den bereits wieder gefrorenen Boden, wo sie liegenblieben, als hätte jemand einen Eimer Konfetti ausgeschüttet. Marc verließ den Wagen und ging auf die Beifahrerseite, um Tess die Tür aufzuhalten.
Als er den Wagen abgeschlossen hatte, drehte er sich um und betrachtete die dunklen Figuren, die sich als finstere Schatten vom Turm abhoben. Das Licht der Laternen erleuchtete sie nur schwach. Marc ging um die Kirche herum, um jede einzelne Figur zu betrachten. Mit der eigens dafür eingesteckten Taschenlampe leuchtete er den gruseligen Gestalten in die steinernen Gesichter.
“Mir sind die noch nicht wirklich aufgefallen, aber so richtig nett sehen die eigentlich nicht aus...“ Forschend, sah er Tess an.





Damien bestellte ihr ein Glas Wasser und sie trank es durstig zur Hälfte leer. Bei seiner Frage verdrehte sie die Augen. “Wieviel Spaß kann man wohl mit einem Pfarrer haben?“ stellte sie eine Gegenfrage und drehte sich zu Damien, nachdem sie das Glas abgestellt hatte.
“Habt ihr denn bei eurer Klettertour etwas gefunden?“ fragte sie neugierig und tippte dann mit den langen Fingernägeln auf die Getränkekarte. “Was wählen wir heute?“ und strich mit dem Nagel über ein Getränk namens „Zombie“
“Etwas blutiges?“ Ihr verführerisches Lächeln und ein Augenaufschlag folgte.
Doch dann wurde sie wieder ernst. “Ohgott, was da passiert ist, ist schrecklich.“ Sie umklammerte das Glas mit beiden Händen, als ob sie sich daran festhalten wollte.

Marc kniff die Lippen zusammen. Dann nickte er. Zumindest deuteten keinerlei Kleidungsreste auf dem Dach des Hauses darauf, dass, was auch immer Mr. Payne gefressen hatte, irgendetwas übrig gelassen hatte.
Danach schüttelte er jedoch den Kopf. “Ich glaube nicht, dass jemand mit auf dem Dach war. Wir haben keine Spuren gefunden, die darauf hindeuten.“ Marc machte eine kurze Pause. “Außer, der Kommandeur dieses ... ist auf ihm geflogen.“ Also langsam wurde das wirklich immer verrückter. Gleiches galt da auch für das Genervtsein bezüglich der Glocken oder das Erwachen eben deswegen. Marc runzelte die Stirn und schüttelte weiter den Kopf. Das war doch alles verrückt.

Glücklicherweise stimmte Tess einem späten Abendspaziergang und einem netten Getränk hinterher zu und so standen sie später vor der Kirche. Zustimmend nickte Marc, als Tess sich selbst als verrückt bezeichnete, hier mit ihm in der Kälte zu stehen, um in der Dunkelheit eine ihnen gut bekannte Kirche zu betrachten. “Eine Eigenschaft, die ich sehr an dir mag.“ stellte er fest und stapfte los. Je eher sie etwas fanden, desto schneller gab es einen heißen Kaffee, den er für sie beide im Pub ordern würde. Als der Strahl seiner hellen Taschenlampe einem der Gargoyles in das scheußliche Gesicht leuchtete, erklärte Tess, was es mit den Fratzen auf sich hatte.

“Mr. Payne war sicher der Letzte, der der Kirche im Allgemeinen etwas wollte...“ murmelte Marc. Kurz darauf seufzte er. “Nein, der Schlüssel liegt im Kirchenbriefkasten, wir haben versprochen, ihn zurückzugeben. Mr. Phelps wollte noch einmal zu Mrs. Payne.“ erklärte er und zuckte mit den Schultern. “Wir haben schon bei Tageslicht nichts gefunden.“ Noch einmal strahlte er mit der Taschenlampe die Fratze an, an der sich das Blut der Taube befand und dann auf den schneebedeckten Boden am Fuße des Glockenturms.
“Man kann ja wohl auch erwarten, dass er sich das Maul ableckt.“ murmelte er. Sein Hund ließ nach einer Mahlzeit - welcher Art auch immer - nicht einen einzigen, winzigen Krümel an seinem Maul zurück. Meist wurde sogar noch der Fußboden abgeschleckt. Das allerdings würde das Vieh wohl kaum machen, wenn es - vielleicht sogar eilig - nach „Hause“ zurückkehrte.

Erneut blickte Marc nach oben. Was hatte er erwartet ? Dass eins der Viecher sich zu einem nächtlichen Spazierflug von der Kirche entfernte? Nunja, ja. Das wäre doch ein wunderbarer Beweis für ihre verrückte Theorie.
“Wir könnten den Briefkasten aufbrechen.“ murmelte er. “Darin war ich schon als kleiner Junge gut....“ Mit einem verschmitzten Grinsen sah er Tess an. Wenn sie rauf auf den Glockenturm wollte, dann würde sie raufgehen ...





Natürlich war Jenna bei Damiens Worten geschmeichelt, aber für das Herumkriegen eines Pfarrers bekam er doch einen vorwurfsvollen Blick.
Selbst wenn die beiden Cops oben auf dem Kirchturm etwas gefunden hätten, würde Damien nicht mit der Sprache rausrücken. Nungut ... Als er dann aber doch Blut erwähnte, sah sie ihn erwartungsvoll an. Doch es entpuppte sich als unwichtig. Wahrscheinlich war eine Taube von einem vorbeifahrenden LKW gegen die Steinstatue geschmettert worden.
“Naja, Steine fressen ja auch keine Küster...“ ulkte sie und bestellte schliesslich trotzdem einen Zombie, einfach, weil die lecker waren. Dann griff sie nach den Salzstangen, die in einem dekorativen Glas zum vernaschen einluden und knabberte gedankenverloren auf einer des knusprigen Gebäckstangen.
“Dieser Mr. Payne war ein vorbildlich gläubiger Mensch.“ meinte sie dann. “Der Pfarrer hat ihn jedenfalls in den höchsten Tönen gelobt. “ Für sie stand fest, dass diese arme Seele ein Zufallsopfer war.

Marc überlegte. “Der Schnee fiel, bevor der Mord begangen wurde.“ Sonst hätten sie weder die Spuren auf dem Friedhof noch an dem Gebäude, auf dem sie die Blutlache entdeckt hatten, sehen können. Allerdings war es möglich, dass der Küster noch vor dem Schneefall auf jemanden stieß, bevor sich das Monster danach auf ihn stürzte. Er nickte. “Gut möglich.“ In schlechten Krimis würden sie nun nach schneebedeckten Stiefeln suchen ...

Bei Tess’ weiteren Worten nickte er wieder. “Das auch. Aber ich mag auch so, wenn die Menschen um mich herum ein bisschen anders, als normal sind.“ Er zwinkerte und als Tess aufgrund des Wetters fröstelte, legte er ihr den Arm um die Schultern.

“Mr. Payne war zur falschen Zeit am falschen Ort.“ Das war seine Mutmaßung, bis sie etwas herausfanden, was dies wiederlegen würde.

Sein Blick ging wieder nach oben zu den massigen Steinschädeln. “Hey da oben, die Sonne ist längst untergegangen, bewegt euch.“versuchte er, die Statuen aufzuscheuchen. Leider - oder zum Glück? - ohne Erfolg.

“Braucht man da sowas wie „Sesam öffne dich“... ?“ scherzte er und zog Tess so langsam in Richtung Pfarrhaus. Auf dem Weg dahin beantwortete er ihre Frage. “Die sitzen auf einer Art Pfeiler, der waagerecht aus der Kirche herausragt.“
Auf Tess‘ Vorschlag, einfach beim Pfarrhaus zu klingeln, verzog er das Gesicht. “Wie langweilig.“ Doch dann nickte er. Das war auf jeden Fall eine bessere Idee, als den Briefkasten zu ruinieren. Zwar riskierte er einen Blick durch den Briefschlitz, aber es war zu dunkel und der Briefkasten zu wenig beleuchtet, als dass man etwas hätte erkennen können.

Hinter der alten Holztür hörte man schlurfende Schritte.





Jenna nickte zu den Damiens Worten, dass Mr. und Mrs. Payne gute Christen waren. Das hatte sie von Pater Mallory auch gehört.

Als er sie dann fragte, ob sie glaubte, die Steinfiguren seien Schutzgeister, musterte sie ihn und hob schließlich eine Augenbraue.
“Das sind Steine.“ Sie klang fast, als ob sie einem Kind etwas erklärte.
“Steine sind keine Geister und Steine beschützen auch niemanden.“
Dann betrachteten sie ihn intensiver.
“Glaubst du etwa, dass es Schutzgeister sind?“
In ihren Augen waren die Steinfiguren lediglich Deko. Ziemlich hässliche Deko, musste sie in dem Fall dieser Kirche zugeben. Fratzengesichter.
“Aber wer es glauben möchte, bitte.“ fügte sie dann noch schulternzuckend hinzu. “Ich mache es keinem madig …“ Ob sie jemanden ernsthaft noch für voll nehmen konnte, der wirklich an solchen Humbug glaubte ?

Marc seufzte. Sie hatten bislang auch einfach zu wenig verwertbare Informationen, um das Geschehen lückenlos und nachvollziehbar nachzuvollziehen. Aber er war sich sicher, dass es ihnen über lang oder kurz gelingen würde, diesen Fall aufzuklären.

Tess entzog sich seiner Hand und gab keinerlei Hinweis darüber, ob sie das anders sah, als er. Wieder seufzte er. War nicht unbedingt sein Tag heute...
Wenigstens schaffte er es, durch sein Monsteraufscheuchen wieder Körperkontakt herzustellen, wenn auch nur ihre Hand auf seinem Arm. Aber keine der Steinstatuen ließ sich nur seine Provokation aufscheuchen. Vielleicht hatten sie ja Recht und jemand musste etwas Bestimmtes sagen oder tun, damit Leben in die Gestalten kam, oder wie auch immer man das nennen mochte.

Marc gab einen höchst unwilligen Ton von sich, als Tess nun sich als langweilig bezeichnete.
“Blödsinn....“ murmelte er nur, weil in diesem Moment auch die Tür geöffnet wurde und der Pater vor ihnen stand.
“Guten Abend, Pater, entschuldigen Sie die späte Störung. Wir wollten noch einmal in den Turm. Den Schlüssel hatten wir vorhin schon wieder in den Briefkasten geworfen.“ erklärte er und kam sich in diesem Moment ein wenig vor, wie ein kleiner Junge nach einem Streich.

Wie seltsam musste sich das für den Pater anhören, dass sie mitten in der Nacht noch einmal in den Turm wollten.
“Ich möchte mir das da oben nochmal im Dunkeln ansehen ... “ Wahrscheinlich erklärte der Pater ihn gleich für verrückt.




Gut, Damien schien also nicht einer von diesen armen Irren zu sein, der an Gott oder andere, unerklärliche Dinge glaubte. Sie nickte leicht und zuckte dann mit den Schultern. Gute Frage, warum man an Dinge glaubte, die mit klarem Menschenverstand nicht zu erklären waren.

Jennas Blick blieb an Damiens Zunge hängen, die sie kurz sah, während er genüsslich eine Salzstange verspeiste. Sie seufzte leise, als sie kurz daran dachte, was er mit dieser Zunge alles anstellen konnte.
Ihre grünen Augen fingen seinen Blick ein, als er fragte, was der Pater noch wusste. Dann grinste sie.
“So einiges…“ wich sie aus und schnappte sich eine Handvoll Salzstangen.
“Aber euch hat er offenbar nichts Erkenntnisverhelfendes erzählt?“ Sie liess zwei knusprige Leckereien in ihrem Mund verschwinden und zerkaute sie langsam.
Man konnte förmlich sehen, wie es in ihrem Köpfchen arbeitete, doch sie schwieg.

“Auf dem Friedhof zu wohnen hat durchaus Vorteile. Du hast die ruhigsten Nachbarn der Welt..“ entgegnete Marc trocken. Seine Nachbarn hatten auch schon zu den unmöglichsten Zeiten wilde und vor allem laute Partys gefeiert. Nicht, dass ihn das grundsätzlich störte, nur eben dann, wenn er schlafen musste, was in seinem Job leider auch am Tage nötig war. Gesagt hatte er nie etwas, Ohropax waren auch eine Lösung. Aber die brauchte man auf dem Friedhof ganz sicher nicht.

Der Pater öffnete die Tür und Marc musste über seine Antwort unwillkürlich grinsen. Natürlich war der Pater ihnen nicht böse, dass sie um diese Zeit noch etwas von ihm wollten. Auch wenn er verständlicherweise erstaunt über ihren Wunsch waren, noch einmal auf den Turm zu steigen.
“Hätte ich Unfug im Kopf, hätte ich entweder den Briefkasten aufgebrochen oder wäre außen am Turm hochgeklettert.“ grinste Marc. “Aber artig um den Schlüssel bitten …“ Er zwinkerte Tess zu und hielt die Hand auf, als der Pater mit dem Schlüssel zurück an die Tür kam. Der alte Herr hatte im Dunkeln sicher seine Schwierigkeiten, das winzige Schlüsselloch zu treffen.

Auf seine Frage erklärte er: “Es ist Nacht und ich will zum einen sehen, wie viel man von dort oben sehen kann … Vielleicht wurde Mr. Payne von hier oben beobachtet, als er zu seinem nächtlichen Spaziergang aufbrach …“ Den Rest ließ er offen.

Jenna kniff die Augen leicht zusammen. Irgendwie hatte sie das Gefühl, dass der Pater den Jungs nicht so viel erzählt hatte. Das hätte er ihr gegenüber sicher erwähnt, wenn er alles noch einmal erzählen musste.
Allerdings verdrehte sie die Augen, als Damien diese pauschale Ausreder hervorkramte, er dürfe nicht über laufende Ermittlungen sprechen.

Was hier lief, waren die Salzstangen und zwar von ihrer Hand in seine. Was er dazu noch sagte, hätte sie fast zum lachen gebracht. Noch dazu, weil er mit seiner Hand Handschellen demonstrierte.
Ein Bild schob sich vor ihr inneres Auge und es zuckte um ihre Mundwinkel.
“Darin habe ICH bessere Erfahrung, wie du weisst.“ neckte sie ihn, tat aber nichts dafür, sich aus seinem Griff zu befreien.

Sie schlug die langen Beine übereinander, legte den freien Zeigefinger an die Lippen und tat, als ob sie angestrengt nachdachte. Dabei funkelte sie Damien an. “Tja, Officer, ich glaube, das fällt in den Bereich meiner detektivischen Schweigepflicht.“ Sie blinzelte mit den Wimpern und setzte ein unschuldiges Gesicht auf.

Nur kurze Zeit später lachte sie. “Nein, ich weiss überhaupt nichts, was mit eurem Fall zusammenhängen könnte. Außer, dass der Küster tot ist. Ich weiss nur, dass lediglich der Kopf übrig geblieben ist.“ Sie verzog ein wenig angewidert das Gesicht. Die Vorstellung, von einem Menschen nur noch den Kopf zu finden, war schon schaurig und erzeugte bei ihr eine Gänsehaut.
Einer der Gründe, warum sie nie in das Morddezernat der Polizei wollte.

“Habt ihr denn schon alle Kirchenangestellten befragt?“





Natürlich hatte er nicht vergessen, was auf dem Friedhof letztes Jahr losgewesen war. Wie konnte er auch.
“Das war eine Ausnahme.“ Wie war das, man musste nur fest genug an eine Sache glauben, dann war es auch so? Marc wollte jedenfalls, dass so etwas nie wieder vorkam und war fest entschlossen, auch alles dafür zu tun, was in seiner Macht stand.

Jetzt galt es erstmal, den Schlüssel zum Turm zu bekommen. Der Pater hielt ihm scherzhaft vor, wie harmlos er und seine Brüder aus der Wäsche geguckt hatten, wenn sie etwas ausgefressen hatten. “Hätten wir das damals gewusst, wir hätten wohl finsterste Mienen aufgesetzt.“ antwortete er und schloss mit dem kleinen Schlüssel den Briefkasten auf, um den Turmschlüssel herauszunehmen.

Die Fragen des Paters waren nachvollziehbar. Und mit der möglichen Tür wollte Marc nicht ins Haus fallen, zumal sie ja noch gar keine Beweise hatten.
“Vielleicht hat er mal die Gunst der Stunde genutzt, als der Turm für eine Besichtigung offen war. Manche Mordpläne sind von langer Hand geplant.“ Marc drehte den einfachen Schlüsseln in den Fingern. “Oder jemand hat sich einen Nachschlüssel besorgt oder ganz einfach einen Dietrich benutzt.“

Oder war ein Gargoyle, der dort oben wohnte.

Marc schüttelte den Kopf. “Nein, Pater Mallory, einer von ihnen war es ganz sicher nicht. “ beruhigte er den alten Mann und wandte sich zum Aufbruch.
“Danke, ich werfe den Schlüssel später wieder rein.“ versprach er und wollte gerade gehen, als er doch noch einmal stehenblieb. “Wer hat eigentlich alles einen Schlüssel zum Turm, Pater ?“ erkundigte er sich, bevor er Tess mit der Hand an ihrem Rücken sanft zum Gehen anschob.
“Ich melde mich, wenn ich etwas erfahren habe.“ sagte er noch zum Abschied und ging dann in Richtung Turm.

Dort angekommen öffnete er die Tür und zog eine kleine Taschenlampe aus seiner Jackentasche, mit der er den dunklen Innenraum erleuchtete. Gemeinsam erklommen sie die beiden nicht sonderlich breiten Treppen. “Vorhin waren wir auch hier.“ sagte er leise und öffnete jetzt das Fenster, um nach unten zu schauen.
“Der hier hatte Blut an den Pranken, aber das wird wohl von einer Taube gewesen sein.“ Marc liess den Blick über die Häuser und Straßen gleiten.
“Die Straßenlampen sind nicht hell genug, um viel sehen zu können. Als Nachtaktiver hat man da wohl bessere Aussichten...“
Hatte der Bursche hier gehockt und gewartet, bis Mr. Payne nach seinem Abendspaziergang wieder nach Hause gegangen war und hatte sich dann von seinem Sockel abgestoßen?