4.45 pm




Manchmal wäre Marc lieber, wenn mehr Menschen von diesen unvorstellbaren Wesen wüssten. Dann käme er sich manches Mal nicht vor, wie ein Geisteskranker, der Dinge sah, die es nicht gab.
Andererseits behielten sie solch schrecklichen Dinge auch lieber für sich.
Marc kam nicht umhin, in Damiens Grinsen einzustimmen. “Kein Kommentar ist immer gut.“ stimmte er mit leichtem Nicken zu.

An der Kirche trennten sie sich kurz, trafen aber wenig später vor der Bibliothek wieder. Damien berichtete, dass der Pater Tess dort reingelassen hatte. “Wann war das ?“ wollte er wissen und betrat den Raum. Stumm und ein bisschen unheilvoll wirkte der Raum mit seinen uralten Büchern, in denen tausende von Geschichten standen. Im Licht der pompösen Leuchter an der Decke sah man die winzigen Staubkörnchen durch die Luft segeln.
Marc sah sich um und ging schließlich auf den großen, alten Tisch zu, der in der Mitte des Raumes stand. Ein paar ebenso alte Stühle standen um den Tisch. Einer von ihnen stand schief am Tisch. Auf diesen steuerte Marc zu.
“DA!“ Die Handtasche, die über dem verschnörkelten Stuhl hing, kannte er zu gut. “Das ist Tessas Handtasche.“ Er griff nach der Tasche und warf einen Blick hinein, doch das Handy, nachdem er Ausschau hielt, war nicht darin. Dann hatte sie es wohl dabei. Nichtsdestotrotz ging sie nicht an das Gerät.

Sein Blick fiel auf den Tisch und auf ein uraltes Buch. Er betrachtete den Titel. „Chroniken“ stand darauf geschrieben. Sie hatte also versucht, etwas über die Kirche herauszufinden.

Marc öffnete den dicken Buchdeckel und blickte auf ein altes Pergament. Ein Grundriss der Kirche. Nun, den kannte er, das war nichts Neues. Also drehte er rein routinemäßig das Papier um, um auch die Rückseite zu betrachten.
“Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich bauen meine Gemeinde, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Und ich will dir des Himmelsreichs Schlüssel geben: alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel los sein.““ las er vor. “Nicht gerade hilfreich...“

Dann liess er den Blick wieder über den Plan auf der anderen Seite gleiten und starrte auf etwas...



4.50 pm




Als Jenna auf ihre Frage nach dem Ex von Teresa keine Antwort bekam, dachte sie sich, dass es da wohl keine guten Erfahrungen gegeben hatte. Und da sie es selber nicht mochte, wenn man sie mit Themen nervte, über die sie keine Lust hatte zu reden, bohrte sie nicht weiter nach.

Allerdings hatte die andere Frau Recht. Jetzt gerade wünschte sich sich diesen „Haufen“ mehr her, als sonst. “Nein, du hast Recht.“ gab sie widerwillig zu. Aus dem leisen Geräusch schloss sie, dass auch Terese sich hingesetzt hatte. Ihr Handy lag da oben, das würden die Männer wohl finden. Wie vorsichtig die gelegentlichen Grobklötze es aufheben würden, konnte sie nicht sagen. Dazu kannte sie die beiden nicht gut genug. Damien konnte auch sanft sein, aber die würden sich wohl eher wie zwei Bluthunde auf das mobile Gerät stürzen.
“Wir sollten vielleicht auch nicht gerade unter der Tür hocken.“ gab sie zu bedenken. Zwar hatte sie gerade keine Orientierung, wo genau die Tür war, aber sie wollte nicht genau darunter sitzen, wenn die zwei Männer herunterfielen. Mit Hilfe derer würden sie die Tür dann wohl aber aufbekommen... “… außer ein Mechanismus verhindert, dass die Tür von unten zu öffnen ist.“ Oh ja, sie konnte recht gut schwarzsehen.

„Damien“. Nur allein beim Hören des Namens wurde ihr warm. Und Teresa kannte ihn. Wie gut, dass sie gerade dank der Dunkelheit nicht sah, dass Jenna rote Wangen bekam. Die allerdings schnell verflogen, als Teresa fragte, wie sie hier überhaupt drinsteckte. Und woher sie Damien kannte.
“Du wirst lachen … aus einer Kneipe. “ Ihre Erinnerungen gingen an den ersten gemeinsamen Abend zurück. Sie grinste süffisant, was Teresa zum Glück nicht sah.

Tja, und warum sie in diesem Fall drinsteckte ...
“Ich ermittle, genauso wie die Jungs.“ sagte sie. “So ein ungewöhnlicher Mord muss doch aufgeklärt werden.“

5.00 p.m.




Damien hatte Empfang mit seinem Handy. Warum dann Tess nicht? Marc schnaufte.
“Jeder Kirchenspruch passt zu etwas.“ antwortete er und als Damien fragte, ob da eine Geheimtür wäre, nickte er. “Ja.“ Sein Finger piekte auf ein dünnliniges Dreieck.
“Ich kenne die Gruft da unten … eine Tür ist mir da bislang noch nicht aufgefallen.“ Und so wie er Tess kannte, war ihr bei genauerer Betrachtung dieses Planes dieses kleine, unscheinbare Dreieck sicher auch aufgefallen.
“Lass uns nachsehen.“ Den Plan faltete er zusammen und steckte ihn in seine Jackentasche. Dann durchquerte er, dicht gefolgt von Damien, diie Bibliothek in Richtung Gruft.

Die Treppe hatten sie schnell hinter sich gelassen.
“Dieser Wandteppich hier …“ Resolut schob er ihn beiseite und starrte auf eine alte, hölzerne Tür. Er drückte sie auf, was ihm problemlos gelang.
“Tessa ?“ rief er in den finsteren Gang und lauschte. Wider erwarten keine Antwort. Wie erleichternd wäre es gewesen, hätte sich Tess jetzt ihm an den Hals geworfen, weil die Tür von innen nur nicht mehr aufging. Aber der schwarze Tunnel empfing sie nur mit trostloser Leere.

“Tess ?“ rief Marc nochmal und als er wieder keine Antwort hörte, wies er Damien an. “Guck doch mal, ob du etwas findest, womit wir die Tür sichern können. Ich möchte nachher nicht vor verschlossenem Rückweg stehen.“

Wieder lauschte er in den schwarzen Gang. War da ein Wispern ? Ein Raunen ? Ein Schrei ?



5.00 p.m.




Mochte sie keine Cops? Eigentlich ein eindeutiges Ja. Und weil auch bei ihr Ausnahmen die Regel bestätigen, musste sie zugeben, dass sie zumindest einen mochte.
“Naja, nicht wirklich.“ antwortete sie einschränkend.

“Die wenigsten Frauen gehen in eine Kneipe.“ erklärte sie. “Und eigentlich gehe ich da auch nicht hin. Weß der Geier, welcher Teufel mich ausgerechnet an diesem Abend geritten hat …“ Schon wieder musste sie grinsen, das Wortspiel war … passend. Zum Glück war es aber nach wie vor dunkel um sie herum.

Ihr Auftraggeber … “ich arbeite für eine Art Agentur.“ erklärte sie. “Ich bekomme meinen Auftrag, weiss aber nicht genau, wer das ist. Theoretisch könntest das du sein und ich wüsste es nicht.“

Jenna entzündete erneut das Feuerzeug, um zu sehen, wo genau sie saßen. Um direkt von der Falltür wegzukommen, brauchten sie nur einen Meter weit nach rechts zu rutschen, was sie jetzt auch tat. “Jetzt fällt uns wenigstens keiner auf den Kopf.“ grinste sie, wurde allerdings auch gleich wieder Ernst. Wie sollten sie den Mechanismus ausser Kraft setzen, wenn sie weder wussten, ob und wann jemand kam und genauso dämlich wie sie hier herunter plumste.

Dann kam ihr aber noch ein ganz anderer Gedanke.
“Was ist, wenn jemand von diesem Mechanismus Weiss und nur darauf wartet, dass hier jemand runterfällt, um …“ Nunja, Horrorgeschichten über entführte Frauen und deren schrecklichen Ende gab es ja genug.
“Mit etwas Glück ist es ja vielleicht der Totengräber…“ Das dünne alte Männchen könnten sie allein mit der linken Hand überwältigen.

Im gleichen Moment hörte sie etwas. Ein dumpfes Geräusch.
“Hast du das gehört?“ fragte sie und lauschte. Was war das ? Kamen da schwere Schritte von irgendwo her? Sprach dort jemand ? Es klang eher, wie ein Knurren.
Jenna überkam eine Gänsehaut…

5.10 p.m.



Ulkig, sie mochte Cops nicht und die Cops mochten Teresa nicht. “Wieso?“ kam es ganz automatisch.

Aber offenbar war Teresa Kneipen nicht abgeneigt. Sie vermied diese Lokalitäten eher wegen der sie anwidernden, besoffenen Männer. Sicher ging sie auch mal Billard spielen, aber das waren eben keine "Kneipen" in diesem Sinne …

Auf die Frage, ob es ihr egal war, wer ihr Auftraggeber war, nickte sie. Dann grinste sie in sich hinein, weil sie die völlige Dunkelheit schon als normal akzeptiert hatte und ihr einfiel, dass Teresa das ja gar nicht sehen konnte.
“Ja, ist mir egal. Denn die Absichten dahinter sind ja nicht schlecht, wenn man herausfinden will, was gerade schiefläuft. Und ein Toter hat ein Recht darauf, dass man denjenigen bestraft, der ihm das Leben genommen hat. Gleiches gilt übrigens auch für Männer, oder Frauen, die ihren Ehepartner betrügen. Da hat doch der andere auch das Recht, herauszufinden, was sein Leben zerstört…“ Das war jedenfalls ihre bescheidene Meinung.

Nachdem sie ein Stück zur Seite gerutscht waren und sie sich wieder an die Dunkelheit gewöhnt hatte, antwortete sie auf Teresas nächste Worte. “Vielleicht gibt es ja einen stillen Mechanismus und bei irgendwem piept es gerade.“ Jenna konnte nicht anders, sie lachte auf.
“Ich meine, bei dem piept es sowieso, wenn er darauf lauert, dass hier irgendjemand reinplumst“ Doch sie wurde auch rasch wieder ernst.
“Aber dem werden wir es zeigen.“ Sie ballte ihre Hände zu Fäusten.
“Ich habe eine Nahkampfausbildung. Der wird sich umgucken.“ Ungeschoren kam der jedenfalls nicht davon.

Das Geräusch, was sie offenbar nicht allein gehört hatte, lies sie beide verstummen. Aufmerksam lauschte sie und versuchte, die Richtung herauszubekommen, von der das Geräusch kam. Kam es von dort, wo sie auch gekommen waren ? War jemand unterwegs, um sie herauszuholen?

Langsam und leise schob sich Jenna mit dem Rücken die Wand nach oben, bis sie stand. Sie war gewappnet, wenn diese Tür über ihnen … oder vielleicht auch unsichtbar neben ihnen aufgehen würde…



5.10 p.m.



Marc zog nur die Augenbrauen in die Höhe, als Damien fragte, wieso er die Gruft kannte. Schon als kleiner Junge hatte sie ihn angezogen und sie war ja nunmal auch für jeden Besucher frei zugängig.
Allerdings grinste er, als Damien gleich darauf meinte, er solle diese Frage vergessen. “Mach ich.“ feixte er und buffte seinen Partner mit dem Ellenbogen an.

Die Tür zum Geheimgang in der Gruft war schnell gefunden und ebenso rasch hatte sein Partner auch einen passenden Gegenstand, um die Tür zu sichern. Eine Treppe ging in die Tiefe und in die undurchdringliche Schwärze eines offenbar fensterlosen Kellers.

“Tessa?“ Erneut rief Marc in die Tiefe und fischte gleichzeitig eine kleine Taschenlampe aus seiner Jackentasche, mit der er in die Dunkelheit hineinleuchtete.
“Die muss reichen.“ entschied er. Die Geduld, jetzt noch einmal zurückzulaufen zum Auto, um dort eine Taschenlampe zu holen, hatte er nicht.

Die Treppe war schnell überwunden. Am Fuße der Treppe folgte ein breiter Gang, in dem sich alte Stühle, Kerzenständer und anderes Zeug befanden. Und der Gang endete an einer Mauer.

“Hm…“ Marc blickte sich um. Er schob ein paar Stühle zur Seite, um zu sehen, ob sich dahinter vielleicht eine verborgene Tür befand. Dabei fiel ein dreibeiniger Stuhl krachend zu Boden und gab auch noch zwei weiteren Stuhlbeinen die Freiheit.

“War eh kaput…“ murmelte Marc und untersuchte weiter die rückwärtige Wand.

5.20 p.m.



“Oh...“ kam es von Jenna. “Und dann wunderst du dich?“ Es folgte ein kurzes Lachen. “Cops und Psychologen sind schlimmer als Feuer und Wasser. Ich kenne keinen Cops, der gerne zum Psychologen geht. Die Ausreden und Ausflüchte sind da sehr kreativ.“

Was ihren eigenen Job anging, hatte auch Theresa Recht. “In erster Linie ist es mir egal, wer mich beauftragt, ich muss auch Miete zahlen und Essen kaufen. Aber ich muss auch nicht jeden Job annehmen. Andererseits macht es dann wer anderes, denn der Schläger wird ja nicht von seinem Ziel abweichen, nur weil da ein moralischer Privatdetektiv sagt, er darf dies und jenes nicht tun.“ Jenna seufzte leise.
“Ich schau mir schon an, was ich tue...“ versicherte sie Theresa. Wegen ihr würde keine misshandelte Frau ans Messer geliefert werden. Sie war immer noch auf der richtigen Seite des Rechts.

Klar war diese Falle alt, aber das bedeutete ja nicht, dass nicht jemand einen neuen Mechanismus eingebaut hatte. “Man muss einfach mit der abgründigsten Fantasie der Leute rechnen.“ erklärte sie ihre Denkweise. “So wird man im schlimmsten Falle einfach nicht hässlich überrascht.“ Mit dem Schlimmsten rechnen und dann erfreut feststellen, dass alles nicht so schlimm war, war besser, als naiv zu glauben, die Welt wäre hübsch und freundlich und die Realität dann um so schmerzhafter erfahren.

Gut war jedenfalls, dass Therese sich selbst so einschätzte, dass sie einem möglichen Angreifer durchaus eine verpassen konnte, statt nur dazuhocken und zu heulen, wie schlecht das Leben und die Menschen waren. "Gut“ erwiderte sie auf diese Tatsache.
Außerhalb ihres Gefängnisses polterte es jetzt. Zwar etwas entfernt, aber hörbar.

“Da ist jemand an den alten Stühlen.“ flüsterte sie. Genau dort waren sie doch auch langgegangen. Aufgefallen waren ihr die abgestellten Möbelstücke und schließlich hatten sie dort auch die Abzweigung gefunden.
Jenna ballte die Fäuste. Natürlich kam ihr Angreifer auch über diesen Gang, er würde schliesslich nicht tagein, tagaus in diesen Kellergewölben hocken und wie eine Spinne auf die Fliege in seinem Netz warten.

“Mach dich bereit.“ grummelte sie leise. Der blöde Kerl würde ihre ganze, aufgestaute Wut abbekommen ...



5.20 p.m.



Es war Marc nicht entgangen, dass Damien beim Umfallen des Stuhles die Hand reflexartig an die Waffe hatte schießen lassen. Er sah ihn nur kurz an, bevor er das Stuhlbein aufhob und auf den Stapel der anderen Möbelstücke legte. Schließlich hatte er Damiens Akte gelesen, bevor der ehemalige Soldat bei ihnen anfangen durfte.

Marc grinste bei seinen Worten. “Ich mag es, meinen Opfern bei ihrem Tod in die Augen zu sehen.“ scherzte auch er. Tatsächlich war es alles andere als angenehm, jemanden beim Sterben zusehen zu müssen. Immerhin waren diejenigen, die er schießen musste, durch die Bank schwerste Verbrecher, aber er würde sich nie daran gewöhnen, einen Menschen zu erschießen. Niemals würde dabei ein gutes Gefühl auftauchen, auch nicht mit dem Wissen, die Welt dadurch ein klitzekleines Bisschen besser gemacht zu haben und vielleicht sogar andere Menschen vor einem unangenehmen Schicksal bewahrt zu haben. Aber jeder Verbrecher hatte auch eine Mutter, die um ihn weinte...

In der Zwischenzeit seiner Gedankenreise hatten beide Männer die Wände abgetastet. Eine Sackgasse würde keiner von ihnen akzeptieren und schon nach wenigen Minuten hatten sie Erfolg. Damien fand einen verborgenen Durchgang.
“Exakt.“ nickte er. “Genau das brauchen wir.“ Er legte den Finger an die Lippen und lauschte in die Dunkelheit. Doch nicht einmal das Kraspeln einer Ratte war zu hören. “Hierher verirren sich ja nicht mal die Ratten.“ stellte er fest und leuchtete mit der Lampe in den Gang. Grobe, große Steine pflasterten den Fußboden. Kalte, teils feuchte Wände rechts, links und über ihnen empfingen sie in dieser Düsternis.

“Vermutlich hat das Vieh die Ratten schon alle verspeist, also gehen wir und klopfen dem Kerlchen für's Bäucherchen mal den Rücken...“ Marcs Hand fuhr nun ebenfalls an seine Waffe und auch auf das Ersatzmagazin in der Jackentasche. Er war bereit...
Sie folgten dem Gang bis zu einer Gabelung. Marc gab einen unzufriedenen Laut von sich. “Haben Frauen einen Rechts- oder LInksdrall?“ scherzte er und leuchtete in beide Gänge. Er würde nach rechts gehen, also war Tessa vermutlich eher nach links abgebogen, wenn sie hier langgegangen war.

05:35 p.m.



Eigentlich war es kein Wunder, dass sich eine Psychologin wunderte, dass Cops sie nicht mochten. Auch wenn beide nun auf der gleichen Seite standen.
“Doch, ich kann es nachvollziehen. “ erwiderte sie mit harter Stimme. Sie hatte das auch alles durch. “Manchmal ist es besser, etwas mit sich selbst auszumachen.“
Aber um abzuwiegeln, sagte sie mit sanfterer Stimme. “Die meisten Cops haben einfach die Befürchtung, dass der Psycho… loge“ Beinah hätte sie Psychofritze gesagt. “… feststellen könnte, dass man aufgrund manch eines möglicherweise traumatischen Erlebnisses nicht mehr in der Lage sein wird, seinen Job zu auszuführen.“ Niemand verlor gern seinen Job, weil er unfähig war. Und die meisten Cops liebten ihn auch und gingen darin auf.
“Viele Cops scheißen das reingefressen ja auch wieder aus.“ Jenna grinste lautlos. Aber dieses mit sich selbst ausmachen sorgte auch dafür, dass man härter wurde, was mitunter bitter nötig war.

Der Vergleich mit der Tankstelle hinkte aber gewaltig. “Ich kaufe da nur ein, bevor es mir ein anderer wegkauft.“ Jetzt hörte man ihr Grinsen sicher aus der Stimme.
Jetzt allerdings erkannte Jenna auch den Psychologencharakter in Teresa. Natürlich sah sie sich ihre Jobs an und notfalls lenkte sie einiges auch in die richtigen Bahnen. Doch dazu schwieg sie jetzt lieber.

Klar, dass Teresa in ihrem Job auch mit den seltsamsten Menschen umgehen musste. Weitere Gedanken wurden durch die seltsamen Geräusche von draußen jedoch verhindert.
Etwas scharrte weit entfernt an der Mauer. So klang es jedenfalls. Eine Gänsehaut lief über Jennas Rücken. Irgendwie klang das, als käme es nicht von über ihnen …



5.35 p.m.



Etwas Größeres … Unvermittelt musste Marc an die riesigen Fußstapfen im Schnee denken, die sie hinter der Kirche entdeckt hatten. Der einzig tröstliche Gedanke war, dass Etwas in dieser Größe so seine Schwierigkeiten haben würde, rasch und geschmeidig durch diesen Gang zu kommen.

“Ich leg ihn mir über die Schulter, während ich klopfe … und wenn du hinter mir bist, dann guten Appetit.“ Marc lachte leise. Mit Sarkasmus ließ sich alles etwas leichter ertragen.

Marc ging vor, bis sich der Weg gabelte. Ein Minotaurus würde sich hier unten die Hörner abschaben.
“Na, wenn's weiter nichts ist…“

Eine Antwort auf Damiens Frage nach der Richtung beantwortete er sich selbst. Markierungen waren auf jeden Fall angebracht, dies würde sicherlich nicht die einzige Gabelung in diesem steinernen Labyrinth sein. Also ging Marc hinter Damien her und grinste innerlich. Dafür, dass Damien ihm den Vortritt lassen wollte, hatte sein Vorhaben nicht lange gehalten.

An der nächsten Gabelung fanden sie tatsächlich eine Markierung. Ein roter, auf der Mauer leicht krakeliger Pfeil. Eine kleine Erleichterung überkam Marc. Sie war offenbar tatsächlich hier langgegangen. Trotzdem nahm er sich vor, ihr zu sagen, dass sie ihn das nächste Mal doch bitte Bescheid geben sollte, wenn sie in so einem undurchdringlichen Labyrinth spazieren ging. Aber wahrscheinlich bekam er einen finsteren Blick und einen ebensolchen Kommentar.

Die Gänge zweigten immer wieder ab und immer wieder fanden sie kleine rote Pfeile. Marc wunderte sich schon über die Ausdauer von Tessa, als er plötzlich ein Geräusch vernahm. Sie gingen nicht unbedingt leise und behutsam, deshalb verursachten ihre Schuhe auf dem harten Weg Schritte. Das, was er hörte, war jedoch ein Geräusch, welches nicht von ihnen kam.
“Achtung…“ zischte er leise nach vorn und lauschte. Es war wieder still. Hatte er schon Halluzinationen ?
“Ok, weiter…“ gab er Entwarnung.

5.45 p.m.



Marc lachte mit. Allerdings warfen die dicken Wände ihr Lachen als ein gruseliges Echo zurück.
Doch dann konzentrierten sie sich wieder auf ihre eigentliche Aufgabe: Tess finden. Er lobte sie im Stillen für ihre Geistesgegenwart, die labyrinthartigen Gänge mit Hinweisen zu versehen. Natürlich, um selbst wieder hinauszufinden, nicht, um ihm eine Spur zu hinterlassen.
Sein Gehirn ratterte. Was war es, was verhinderte, dass sie wieder alleine hinauskam? Marc zückte sein Handy und fand eine Bestätigung auf den gerade nicht vorhandenen Balken. Sie hatten hier unten keinen Empfang. Kein Wunder also, dass er sie nicht erreicht hatte. Aber wie viele Stunden war sie bereits hier ? Er meinte, sich erinnern zu können, dass es Mittag gewesen sein musste, als er versucht hatte, Tess zu erreichen. Ihre letzte Nachricht war von 11 Uhr, als sie zur Kirche wollte. Mittlerweile war es fast 6 Uhr. Etwas kaltes umschloss sein Herz. Fast sieben Stunden hatte er nichts von Tess gehört. So drängte er schneller durch den kalten und finsteren Gang. Die seltsamen Geräusche, die sie hörten, trugen nicht dazu bei, dass er sich weniger um Tess sorgte. Ganz im Gegenteil…

Im nächsten Moment knirschte etwas und Damien fiel aus seinem Sichtbereich nach unten.
Eine Falltür! Dann ging alles sehr schnell. Damien stieß einen Fluch aus, es schepperte, als sein Handy weiter unten zu Boden fielen. Damien fluchte weiter. Ein dumpfer Schlag kündigte an, dass die Falltür gegen Damien krachte, dann verschwanden die Finger - das letzte, was er von Damien in den letzten gefühlten 2 Sekunden noch sehen konnte - in der Dunkelheit. Es krachte erneut und die Falltür schlug wieder zu.
Verdattert starrte Marc auf den Boden unter sich, der nur mit allergrößter Mühe tatsächlich als Falltür zu erkennen war. Was für ein Werk…

“Damien ?“ Marc ging auf die Knie und fuhr im Licht der Taschenlampe mit den Fingern die Fugen der Falltür auf. Er achtete darauf, nicht selbst auch auf das hinterlistige Viereck zu treten.
Mit einem Satz sprang er auf die andere Seite und drückte von dort vorsichtig die Tür nach unten. Sie reagierte offenbar nur auf größeres Gewicht, was er mit den bloßen Fingern kaum erzeugen konnte.
Nun setzte er sich an die Kante und drückte mit beiden Beinen kräftig auf die Tür. Sein Ziel war, die Tür nach unten aufzudrücken und sich gleichzeitig sicher auf seinem Sitzplatz zu halten…
“Alles klar da unten ? Ich versuche die Tür aufzudrücken, geh darunter weg!“ rief er seinem Partner zu.





Von da oben kamen definitive Geräusche. Und sie klangen alles andere als nach einer hilfreichen Person. Im Gegenteil. Ein, wenn auch gedämpftes, schauriges Lachen hallte über ihnen. Jenna überkam eine Gänsehaut. Oh nein, dachte sie im Stillen. Nicht mit mir. Nicht nocheinmal!
Sie würde es dem Burschen schon zeigen. Aber gewaltig!
Sie ballte die Fäuste und war gewappnet…

Plötzlich erschien eine dünne Linie mit - wenn auch spärlichem - Licht. Jenna zog die Augenbrauen zusammen und ging in Angriffsstellung.

Etwas fluchte, etwas fiel krachend auf den Boden, glimmte auf und verlosch. Das kleine Licht von oben wurde etwas heller und eine dunkle Gestalt wurde sichtbar. Sie erschien ihr riesengroß. So groß, dass sie offenbar auf dem Boden stand und mit den Händen oben die Falltür festhielt. Das kleine Licht am Boden konnte alles mögliche sein… vom Taser bis hin zu anderen merkwürdigen Dingen, die nicht dazu geeignet waren, ihnen in irgend einer Art und Weise behilflich zu sein, vermutlich eher ganz im Gegenteil. "Na warte", ging es Jenna durch den Kopf und ohne groß weiterzudenken, setzte sie ihre ganz Wut über die Situation, die Wut und Enttäuschung über manch andere Situation, die hier eigentlich gar nichts zur Sache tat und den Ärger darüber, dass sie überhaupt in dieses dämliche Loch gefallen waren in einen einzigen, fast monumentalen Schlag. Erst taten ihr sämtliche Knöchel weh, dann hörte sie ein dumpfes "Uff" und triumphierte innerlich über ihre gewaltige Schlagkraft.
Das Licht über ihnen verblasste und es wurde nach einem leisen Fluch dunkel.
Irgendwie hallte in Jennas Kopf der Name "Damien" nach.

Ein weiterer Fluch klang durch die Finsternis.

“Damien?“ Jenna trat sofort zur Seite, sollte derjenige, der hier bei ihnen gelandet war, keine guten Absichten haben und genau dorthin schlagen oder schießen, wo sie gerade gesprochen hatte, traf er jedenfalls nur die Wand.

Es dauerte einige Sekunden, bis Jenna auf die Idee kam, das Feuerzeug zu benutzen. Allerdings zitterten ihre Finger ein wenig, so dass es erst eine Flut von Funken gab, bevor das kleine Flämmchen den Raum erhellte. Jenna streckte den Arm weit von sich und erleuchtete den, der ihnen da gerade in den Schoß gefallen war …

Und dann erklang eine Stimme über ihnen. Da wollte noch einer zu ihnen ?

5.50 p.m.



Jenna hoffte, Teresa wurde nicht von dem Klotz getroffen, der ihnen da förmlich vom Himmel fiel. Sie war so still. Allerdings hörte sie dann ihr erstauntes "Oh" und ging einfach mal davon aus, dass es ihr gutging.
Sie selbst war ähnlich perplex, als sie Damiens Stimme erkannte, der doch tatsächlich fragte, ob sie das wäre.
“Nein, der Papst.“ entfuhr es ihr und sie hielt das Feuerzeug etwas höher, damit es weiter strahlte. Und tatsächlich, jetzt erkannte sie auch Damien genauso wie er sie.
“Wen hast du hier erwartet, Heidi Klum?“ grinste sie, hörbar erleichtert, dass es doch kein Monster war, dass zu ihnen in ihr Verließ gekommen war.
Und die andere Frau kannte er offenbar auch. Oben schien noch mehr Hilfe zu sein und Jenna atmete leise und erleichtert aus. Als er allerdings nach oben scherzte, sie bekämen zwei zum Preis von einer, schlug sie ihm mit dem Ellenbogen in die Seite. “Blödmann“ grummelte sie im Spaß. Als er dann fragte, ob sie ihn geschlagen hatte und sie auf sowas stand, prustete sie. “Ja und nein,“ war ihre Antwort. Ihre Faust tat immer noch weh, Damien hatte verdammt harte Muskeln. Allein der Gedanke an ihre gemeinsame Nacht, in der sie die Finger über eben diese harten Muskeln hatte gleiten lassen, liess sie wohlig erschauern. Zum Glück war es mit der Feuerzeugflamme nicht wirklich hell, so dass niemand ihre rosigen Wangen sah.

Nun galt es nur noch, aus diesem scheußlichen Loch wieder hinauszukommen. Teresa kannte den Mann der dort oben noch war, offensichtlich auch und scherzte mit ihm. Gespannt sah Jenna nach oben, wo sich ein schmales Lichtband auftauchte, was langsam breiter wurde.





Seltsame Geräusche kamen von unten und dann endlich die erlösende Stimme von Tess. Marc atmete erleichtert durch. An seiner Erleichterung konnten auch die spaßigen Vorwürfe nichts ändern.
“Sei froh, dass wir nicht längst Feierabend gemacht haben.“ sprach er. “Es ist gleich Sechs.“
Natürlich würde er aufpassen, nicht auch hinunterzufallen, immerhin hatte er gesehen, wie Damien abgerutscht war. Damien bestätigte noch, dass es Tess war, obwohl er das ja schon an der Stimme gehört hatte. Aber dort unten war noch jemand.
“Wer ist da noch ?“ wollte er wissen. Obwohl das nebensächlich war. Die Hauptsache war, sie bekamen die beiden heile wieder zurück an die Oberfläche.

Marc überlegte, den Weg zurückzugehen, um zwei kaputte Stühle zu holen, die sie in die Falltürmechanik klemmen könnten, verwarf den Gedanken aber, weil es ihm zu lange dauern würde, dieses Labyrinth zu durchlaufen. Es musste auch ohne Werkzeug und nur mit Manneskraft gehen.
“Ich drücke die Falltür weiter runter, du musst sie festhalten und die Mädels klettern an dir hoch.“ entschied er. Wenn Damien sich mit dem Rücken als Verlängerung der Falltür hinstellte, müssten sie das schaffen.
“Ich helfe euch hier oben. Wir schaffen das.“ versicherte er. Damien mussten sie dann irgendwie mit vereinten Kräften nach oben helfen.

“Alles klar? Vorsicht ich drücke…“ Er versteifte sich und drückte mit den Beinen die Falltür weiter runter. Viel mehr als einen Meter würde er die Falltür hoffentlich nicht nach unten drücken müssen, damit Damien von unten kraftvoll ziehen konnte. Allerdings war diese verdammte Tür ziemlich schwer und er musste alle Kraft aufwenden. Dennoch würde er eine Hand frei haben, um Tess und die andere Frau nach oben ziehen zu können.